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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten
Autoren: Waldtraut Lewin
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in der letzten Zeit nur Schmähgedichte auf dich verfasst. Ja, die Schmähgedichte . . .Als ob hierzulande, wo die frechen Sprüche zu Hause sind, irgendjemand wegen Spottversen ins Loch kommt!«
    Der Mann beißt die Zähne zusammen vor ohnmächtiger Wut.
    Seit Tagen schon führt er in diesem scheußlichen Verlies einen Dialog. Einen Dialog mit sich selbst oder mit dieser Frau   – aber eigentlich ist es ein Dialog mit den nackten, schmutzig grauen Wänden, gegen die er anredet, anschreit.
    »Ich sitze in diesem Verlies!«, ruft er, » ich, Ibn Zaydun, dein einstiger Liebhaber und der beste Dichter arabischer Zunge, der je in Al Andalus gelebt hat, weil ich einen Rivalen habe. Er, der Herr Minister, der erhabene Wesir, fand es angemessen, mich dafür so zu bestrafen. Ich habe die Prinzessin öffentlich beleidigt! Der Herr findet es immer noch angemessen, obwohl ich, Ibn Zaydun, jetzt schon eine ganze Weile in dieser unangenehmen Umgebung verbringen darf.«
    Er schlägt mit der geballten Faust auf den Tisch.
    »Und Valada?«, fährt er fort in seiner Zwiesprache ohne Partner. »Als wenn sie nicht wüsste, was der eigentliche Grund für diese elende Inhaftierung ist. Diese Sache, von der der Herr Wesir Wind bekommen hatte.
    Ich hasse sie. Der Wesir bekam einen wunderbaren Vorwand in die Hand, mich auszuschalten, und sie selbst hat ihn geliefert, indem sie mich denunziert hat. Beleidigt, wie sie war, wegen einer Sache, die gar nichts mit meinen Gedichten zu tun hatte . . .«
    Der Mann im Kerker presst die Lippen aufeinander.
    Er muss aufhören mit diesen Selbstgesprächen. Das ist ja nahe am Verrücktsein. Und wenn er eines nicht ist, dann das.
    Er streicht sich unwillig mit der Hand über den struppigen Bart, der sein Gesicht verunziert. Ein Schermesser bekommt er nicht, offenbar befürchten seine Kerkermeister, er könnte sich damit etwas antun. (Ha, die kennen ihn schlecht!) Stattdessenbarbieren sie ihn alle zwei Wochen mit rohen und ungeschickten Händen.
    Er hasst diesen Bart, er hasst das grob gewebte Gewand, das er tragen muss und das ihm die Haut wund scheuert, diese Haut, die seine Geliebte gern mit der Farbe von Zimt und gebranntem Ton verglich, und am meisten hasst er sie, Valada, wenn er sich nicht mehr beherrschen kann in seiner Kerkereinsamkeit und Hand an seinen Körper legt in Gedanken an sie.
    Diese Frau, an die er angekettet ist für immer.
    Und er beschimpft sie, so wie er es in seinen letzten Versen getan hat. Hure, läufige Hündin, geiler Fetzen, Allerweltsgeliebte . . .
    Die Kerze! Das ist nur noch eine halbe Spanne, gemessen zwischen Daumen und Zeigefinger. Nur noch wenig Zeit. Er sollte sich beeilen und weiterarbeiten.
    »Ich bin der Fürst   – die Dichtung ist mein Sklave«, schreibt er und muss sich am Kopf kratzen. Ungeziefer hat er sich wohl auch geholt hier.
    MUHDJA.
    Ihr Haus ist eine Festung, aus der heraus das Licht quillt wie Reis aus einem kochenden Topf. Das Haus wartet.
    Aber wie gelangt man ungefährdet dorthin, mitten in der Nacht? Die Bärtigen grasen in dieser Nacht die Straßen ab.
    Das Volk nennt sie so. Natürlich tragen auch andere Männer Bärte, aber nicht diese verwilderten, verfilzten Vliese bis herunter zur Brust, an die nie das Messer des Barbiers kommt.
    Die Bärtigen sind arm. Handlanger der alteingesessenen arabischen Sippen. Befehlsempfänger. Einst wichtig, nun lästig. Wer will sie jetzt schon noch bezahlen?
    Mit der Duldung der Oberen stürzen sie sich auf alles, was sich plündern lässt. Das Recht dazu gibt ihnen   – so ist ihre Überzeugung   –, dass sie die »Strenggläubigen« sind. Allahswahre Söhne. Und so hassen sie alle, die sie Ungläubige nennen. Juden wie Christen. Aber auch Muslime, die, wie sie meinen, die Gebote des Propheten nicht ernst genug befolgen.
    Und wenn sie ihrer nicht auf der Straße habhaft werden können, so versuchen sie, in die Häuser einzudringen. Sie überfallen die Läden auf dem Basar, sie holen sich, was nicht niet- und nagelfest ist.
    Und kommt ihnen bei ihren nächtlichen Unternehmungen eine Frau über den Weg, so gilt sie als unkeusch, ganz gleich, ob sie wirklich ein Weib ist, das sich verkauft, oder auch nur den Arzt für ihr krankes Kind holen oder ihren entlaufenen Hund einfangen will. Ein Weib hat nachts bei seinem Mann und seiner Familie zu sein!
    Und finden die Bärtigen eine solche Frau, so ist es um sie geschehen. Zu Dutzenden fallen sie über sie her, um sie zu »bestrafen«.
    Und ich, wie ich hier
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