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Urmels großer Flug

Urmels großer Flug

Titel: Urmels großer Flug
Autoren: Max Kruse
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Hier erwartete er Wutz und König Futsch.
    »Da
hänein äst es verschwunden«, erklärte er ihnen und deutete mit dem Schnabel auf
den braunen, kreisrunden Gegenstand.
    »Aha«,
rief der König, »in die Kanalisation.«
    »Suchen
Sie das Krokodil, den Alligator? Sie hätten besser auf das Biest aufpassen
sollen. Wenn Sie sich schon so ein Untier halten«, redete ihn einer der beiden
Arbeiter an, die vorhin hier herausgekrochen waren.
    »Bitte
machen Sie den Deckel auf«, sagte der König kurz angebunden. Er reichte dem
Mann ein Geldstück.
    Und
dann kletterte er voran, in die Unterwelt. Wutz folgte ihm, indem er sie von
unten mit beiden Händen stützte
und die Arbeiter sie, unter dem Gelächter der Umstehenden, von oben abseilten.
    Erst
als sie beide in der Tiefe verschwunden waren, fragte der eine Arbeiter den
anderen: »Bin ich verrückt, oder hat das Schwein wirklich gesprochen?«
    »Du
spinnst«, sagte der andere.
    »Sä
spännen nächt!« krähte Schusch von der Laterne.
    Da
zweifelten die beiden an ihrem Verstand und machten sich rasch aus dem Staub.
Den Gullydeckel aber schlossen sie vorher noch, damit niemand hineinstolperte.
Das war Vorschrift.
    Das
Urmel war da unten in eine Welt geraten, von der es noch nie etwas erfahren
hatte. Düster war es, sehr düster. Nur da und dort fiel von oben ein wenig
Licht durch schmale Schlitze und durch die Gitter für das Regenwasser. Es
brannten auch einige trübe Lampen an den feuchten Wänden.
    In
einem endlos erscheinenden Tunnel wälzte sich langsam ein Fluß dahin, ein
schlammiger, übelriechender Strom: die Abwässer der Stadt. Nur rechts und links
neben dieser Brühe gab es schmale Gehsteige.
    Das
Urmel tappte vorsichtig voran. »Oje«, dachte es, »in der unterirdischen Höhle
auf Titiwu mit dem kristallklaren See ist es aber viel, viel schöner. Ach ja,
Titiwu...«
    Die
glückliche Insel war weit, sehr weit.
    Die
Tunnelröhren verzweigten sich nach allen Richtungen. Von überall her gurgelten
Seitenarme der Abwässer. Dies war ein Labyrinth, ein Irrgarten, aus dem so
leicht niemand herausfand, der sich nicht sehr gut in ihm auskannte.
    Die
Luft war stickig, verpestet. Und in dem, was beim besten Willen nicht mehr
Wasser genannt werden konnte, trieben allerlei Teile, die man lieber nicht
genau betrachtete. Am appetitlichsten waren noch die Papierabschnitte und
Gemüsereste oder Obstschalen.
    Da
und dort raschelte es. Kleine, struppige Tiere, graubraun und groß wie Katzen,
huschten überall herum. Ratten! Und hier — das Urmel fuhr zusammen und riß die
Augen weit auf — da war ein Tier, das ihm sehr ähnlich sah oder noch viel eher
Wawa, nur viel größer: ein Krokodil. Das war keine Täuschung. Denn in der
Kanalisation suchten die unglücklichen Alligatoren, die von manchen Bewohnern
der Stadt als Haustiere gehalten wurden solange sie klein waren, später ihre
Zuflucht. Sie lebten und vermehrten sich hier sogar.
    Des
Urmels Herz klopfte heftig. Nur wieder heraus. Es schlich um eine Ecke. Aber
nun wußte es überhaupt nicht mehr, wo es sich befand. Und so ein unheimliches
Tier glupschte es mit kleinen, gierigen Augen an. Es lag so unbeweglich da wie
ein Stück vermoderndes Holz.
    Auch
Wutz und der König tappten widerwillig durch das Gewölbe. Der König klemmte
sich die Nase zu. Er hätte am liebsten sofort wieder den Rückweg angetreten. In
dieser Luft vermochte er es kaum auszuhalten. Hoffentlich wurde er nicht
ohnmächtig wegen einer Gasvergiftung.
    »Sind
wir hier in der Hölle, öfföff?« fragte Wutz bibbernd. Ihr ganz auf Sauberkeit
gerichtetes Wesen geriet in Aufruhr. »Ratten!« kreischte sie entsetzt. Schon Mäuse
konnten sie ja zu Tode erschrecken, aber gar Ratten!
    »Zurück,
zurück«, stöhnte der König, das Taschentuch vor dem Gesicht. »Hier finden wir
das Urmel sowieso nie. Es wird schon wieder von alleine auftauchen. Verdammt, sollen
wir nun nach rechts oder nach links abbiegen? Wir haben uns rettungslos
verirrt. Zurück!«
    »O
nein! Sieh nur: Da... da ist es ja«, grunzte Wutz. »Oh, öfföff, es liegt... es
ist gestürzt... es ist ohnmächtig! Vielleicht verletzt?«
    Sie
stürzte sich blindlings auf den länglichen, graugrünen Körper, dessen lange,
breite Schnauze im düsteren Licht nur undeutlich zu erkennen war. »Urmele, mein
Urmele, jetzt ist alles gut, deine Mama kommt, öfföff!«
    Ein
Krokodilrachen klappte auf, weit wie ein Scheunentor. Wutz prallte zurück. Wie
entsetzlich! Sie bremste, rutschte auf dem moderigen Boden:
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