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Urmels großer Flug

Urmels großer Flug

Titel: Urmels großer Flug
Autoren: Max Kruse
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die Polizei von allen anderen Autos geräumt worden, gesperrt
für jeden Verkehr. Durch den Rundfunk hatte man bekanntgegeben, daß der kleine
grüne Herr vom anderen Stern durch eben diese Straße zum Rathaus fahren würde.
Zu beiden Seiten bildeten Polizisten Absperrketten. Dahinter stauten sich die
Zuschauer. Keiner wollte den denkwürdigen, welthistorischen Augenblick
versäumen. Tausende von Foto- und Filmkameraobjektiven waren auf die
Wagenkolonne gerichtet. Und Hunderte von Geheimpolizisten hatten sich unter die
Menge gemischt, um Attentate zu verhindern.
    Ganz
langsam knatterten die Motorräder in Dreiecksformation. Ganz langsam folgten
die Wagen, so langsam, daß jeder Fußgänger bequem nebenherlaufen konnte. Es
schritten aber nur Polizisten im Straßenanzug vor und hinter den Autos.
    Wo
diese auftauchten, brüllten die Zuschauer aus vollen Kehlen »Hoch!« und
»Hurra!« Und aus den Fensteröffnungen zu beiden Seiten der Straße, bis hoch
hinauf in die Wolken, hingen Menschentrauben heraus, winkten, schrien und
gestikulierten.
    Vor
allen Dingen aber warfen sie aus vollen Händen Papierschnitzel herab. Sie
hatten alles zerfetzt, was sie finden konnten, den Inhalt der Papierkörbe,
Schreibpapier, Bücher, Zeitungen.
    Die
Schnitzel wirbelten in der Luft, sie schwankten hin und her, sie segelten, sie
gingen hernieder wie dichter Schneefall. Es war einfach wundervoll.
    Das
Urmel setzte sich auf die Rücklehne. So konnte man es besser sehen. Es? Nein,
ihn, den kleinen grünen Herrn vom anderen Stern!
    Ach,
er genoß! Er winkte mit beiden Händen. Er warf Kußhändchen, er verbeugte sich,
er nickte mit der nil-pferdähnlichen Schnauze nach allen Seiten. Und die
Schwanzspitze klopfte einen Marsch auf das Sitzpolster.
    Die
Herren mit den Zylindern lächelten. Das war ein unvergeßlicher Tag.

    Doch
Schusch ärgerte sich. Er schimpfte laut vor sich hin: »Das Urmel äst nächt mehr
zu retten, es äst vollkommen übergeschnappt.« Aber niemand hörte ihn in dem
allgemeinen Freudenrausch.
    Es
war ihm auch unmöglich, dem Zug noch länger zu folgen, denn der Konfettiregen
überschüttete ihn so, daß er nichts mehr sehen konnte. Es war schlimmer als im
Schneesturm. Immer wieder legte sich Papier auf seine Flügel und über seine
Augen.
    »Äch
muß den Könäg und Wutz suchen«, dachte er. Und ihm fiel ein, daß Wutz einmal
das Märchen von Hänsel und Gretel erzählt hatte: Auf dem Weg in den finsteren
Wald hatte Hänsel Brotkrümel ausgestreut, um wieder heimzufinden. Nun, wo das
Urmel hingefahren wurde, das konnte man selbst mit einer dunklen Brille noch
erkennen. Man brauchte nur der mit Papier belegten Fahrbahn zu folgen. Er
drehte um. Durch eine Nebenstraße flog er zum Hubschrauber zurück. Solange
dieser noch da stand, waren auch der König und Wutz noch in der Stadt.
    Aber
wo? Auf dem Flachdach waren sie nicht. Schusch lugte hinab, dorthin, wo vor
kurzem alle drei, das Urmel, König Futsch und Wutz unter die Erde verschwunden
waren. Und — Glück muß auch ein Vogel haben — jetzt wurde der Gullydeckel zur
Seite geschoben. Langsam wuchs eine Schnauze mit großen Nasenlöchern, kamen
kleine Äuglein und Klappohren, stieg ein Schweinekopf aus dem Bürgersteig
empor. Weißrosa war er, sah fast aus wie Weißkohl.
    »Öfföff«,
stöhnte der Kohlkopf. Zwei Füßchen mit Klauen hakten sich über den Rand. Da
wurde gezerrt, gezogen, gepreßt und sich gewunden. Der Schweineoberkörper
wuchs. Und endlich erschien auch der Po mit dem Ringelschwanz. Zwei kräftige
Männerhände schoben ihn von unten.
    Eine
Dame auf der Straße sah das mit an, blieb voll Staunen stehen und meinte
verdutzt: »Werden jetzt etwa in unserer Kanalisation Schweine gezüchtet?«
    König
Futsch, der eben erschöpft und verschmiert herauskroch, beantwortete ihr diese
Frage nicht. Er war sehr froh, daß Schusch sofort zur Stelle war und rief:
»Gut, daß ähr kommt!«
    »Aber
wo ist das Urmel, öfföff?« fragte Wutz.
    »Äch
zeige es euch«, antwortete Schusch.

Siebenundzwanzigstes
Kapitel

In dem sich das Urmel ins Goldene Buch einträgt und es fast noch zu
einer Katastrophe gekommen wäre
     
    Im großen Festsaal
des Rathauses herrschte weihevolle Stille. Manchmal klang ein unterdrücktes
Räuspern. Manchmal knarrte eine Diele. Und die Filmkameras für das Fernsehen
surrten leise.
    Das
Rathaus war von einem großen Polizeiaufgebot abgesperrt worden. Oben, unter dem
runden Leuchter, der einer riesengroßen Kaiserkrone glich, hatten sich
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