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Urmels großer Flug

Urmels großer Flug

Titel: Urmels großer Flug
Autoren: Max Kruse
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goldbestickten Uniform, der Tag für Tag
mit den allerhöchsten Herrschaften umging und selbst ein Herrscher über
Zimmerschlüssel und Lifte war, hatte nichts gegen die Anwesenheit einer
Schweinedame und eines Schuhschnabels einzuwenden.
    Im
Gegenteil tänzelte Wutz mit hocherhobener Nase durch die Hotelhalle, immer
umgeben von einem Schwarm von Zeitungsreportern — dann verbeugte sich der
Portier sogar besonders tief und mit geziemender Ehrfurcht.
    Allerdings
benahm sich Wutz auch immer so, wie man es von einer Dame von Welt erwarten
kann.
    Seine
Majestät, König Futsch der Abgesetzte, war immer noch ein großer Herr mit dem
würdevollsten Auftreten. Er ließ seine Gattin Naftaline und seinen netten
Diener Sami nachkommen. Ganz besonders die reizende Naftaline machte zwischen
den Tieren eine so hübsche Figur.
    Und
doch waren die Tiere die Hauptpersonen, Schusch mit seiner leicht quärrenden
Stimme, Wutz mit ihrem »Öfföff« — und natürlich das Urmel.
    Man
umlagerte sie pausenlos, fotografierte und filmte sie. Das Fernsehen war da,
die Presse, die Wochenschau, und immer der Rundfunkreporter, der das Urmel
zuerst entdeckt hatte. Er wurde mehr und mehr zu ihrem Freund und Berater.
    Dann
wieder sollten sie untersucht werden von berühmten Ärzten, von medizinischen
Kapazitäten. Man verwickelte sie in sehr schwierige Gespräche.
    Ein
Professor der Gehirnkunde stellte dem Urmel und Wutz zahllose Fragen aus einem
sorgsam zusammengestellten Fragebogen. Er wollte ihre Intelligenz testen, den
sogenannten Intelligenz-Quotienten ermitteln.
    Das
Urmel hatte dazu wenig Lust. Doch Wutz erzielte einen sehr guten Durchschnitt.
    Dem
Urmel wurde der ganze Rummel zuviel. Kein Wunder, war es doch schon eine ganze
Weile durch die Welt geirrt und hatte aufreibende Erlebnisse hinter sich.
    Es
wollte wieder heim.
    »Ich
nicht, öfföff«, grunzte Wutz. »Mir gefällt es hier. Und ich habe unendlich
viele gesellschaftliche Verpflichtungen.«
    Das
Urmel war klug genug, dazu zu schweigen.
    Es
winkte Schusch und verkroch sich mit ihm hinter der Lehne eines großen
Polstersessels. »Ich haue ab«, flüsterte es ihm zu. »Kommst du mit?«
    »Sofort!«
krähte Schusch. Er war so begeistert, daß er das Geheimnis fast verraten hätte.
    »Sei
doch still«, bat ihn das Urmel. »Wir müssen uns wieder heimlich
davonschleichen. Es wird nicht leicht sein. Das Hotel ist ständig von
Neugierigen umlagert. In der Hotelhalle lümmeln sich die Reporter auf den
Stühlen.«
    Doch
eines Abends schien die Gelegenheit günstig. Sami war vor Erschöpfung auf einem
Sessel eingeschlafen, der König und Naftaline zogen sich zurück, um ein wenig
auszuruhen. Wutz stand aufgeregt vor dem Spiegel und jammerte: »Wo ist nur mein
Parfüm, öfföff? О du geschabte Rübe, ich komme bestimmt zu spät zum Empfang der
Fürstin Schwatzschnellnikoff. Und sie hat doch nur meinetwegen eingeladen!«
    Glücklicherweise
fand sie ihr Parfüm und rauschte bald darauf davon. Das Taxi wartete vor dem
Hotel.
    »Jetzt!«
flüsterte das Urmel Schusch zu. Es machte das Fenster auf...
    Sie
flogen die ganze Nacht. Sie flogen einen ganzen Tag. Sie flogen immer noch, als
es schon dunkel wurde.
    Tief
unter ihnen rauschte das Meer. Und plötzlich hörten sie eine dunkle, tiefe
Stimme, einen mächtigen Baß:
     
    » Da bösönnt söch das Könd,
    köhrt
nach Haus geschwönd ...«
     
    Seele-Fant!
Das Urmel schloß beglückt die Augen. »Wir wollen alle überraschen«, sagte es zu
Schusch.
    Leise
segelten sie weiter. Und als sie auf der Insel ankamen, flog Schusch so
geschickt auf seinen Ast, daß sich kaum ein Blättchen rührte.
    Und
das Urmel schlich sich hinunter an den Strand.
    Ganz
leise klopfte es an Wawas Muscheldach.
    Wawa
klappte die Schale auf. Er hatte einen sehr leichten Schlaf. »Ach, du bist es!«
zischte er erfreut und gar nicht überrascht. »Ich hatte dich schon lange erwartet.«
    »Pssst«,
machte das Urmel. »Wir wollen die anderen nicht wecken. Ich bin nur schnell
noch einmal zu dir heruntergekommen.«
    »Ekschtra
nur tschu mir?« Wawa war ungeheuer geschmeichelt.
    »Ja.
Du erinnerst dich sicher noch daran, daß du über ein großes Rätsel nachgedacht
hast, bevor ich weggeflogen bin. Das fiel mir gerade ein.«
    »Was
meinst du?«
    »Die
Zeit.«
    »Ach
ja, die Tscheit. Sie vergeht und vergeht und ist doch immer da. Was ist sie
eigentlich?«
    »Ich
will es dir sagen. Sie ist, was du daraus machst: Aufregung und Abenteuer.«
    »So«,
sagte Wawa. »Vielleicht ist sie das
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