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Urmel zieht zum Pol

Urmel zieht zum Pol

Titel: Urmel zieht zum Pol
Autoren: Max Kruse
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und watschelte am Ufer entlang, den
Kopf gesenkt und mit hängenden Frackschößen.
    Da stockte
er. Hinter einem bizarren Eisgebilde ging etwas Seltsames vor. Ein Rudel von
Seehunden bildete einen weiten Halbkreis und rutschte, offenbar wütend, auf
einen Punkt zu. Da lag etwas, kaum dunkler als der Schnee, leicht gelblich — eigentlich waren von ihm nur
drei winzige Knöpfchen zu sehen: seine Augen und die Nase.
    Und der
Erdrutsch dunkler Leiber drängte unaufhaltsam näher. Die Luft war von
ohrenbetäubendem Lärm erfüllt. Ping Pinguin fühlte die Gefahr, die dem kleinen
Wesen drohte, er wußte nicht, worin sie bestand, er stolperte, schlidderte auf
dem Bauch voran, schoß durch einen Wassergraben, stand bald neben dem armen
Kerlchen, das leise wimmerte. Ein tief unglückliches Jaulen entrang sich seiner
Kehle.
    Ping Pinguin
reckte sich neben ihm auf. Was immer auch geschehen sollte, er war bereit, der
ganzen Herde zu trotzen. Er schlug drohend mit den Flügeln — umsonst, er
vergrößerte höchstens den Zorn der Robben. Schon war ein bulliger, graugrüner
Seehund nahe, warf drohend den Hals zurück und fletschte die Zähne, da schrie
Ping Pinguin in höchster Not: »Seele-Fant! Hilfe! Hilfe!« Der weiße Seehund
piepste. Er schluchzte, er wollte sich ins Wasser retten.
    Doch da
tauchte Seele-Fants mächtiges Haupt zwischen den schwankenden Eisbrocken auf.
»Öndlöch!« rief er. »Dör Profössor sucht doch, öst eun Eusbör hönter dör hör?«
    »Nein!«
kreischte Ping Pinguin. »Aber die Seehunde sind so böse zu diesem kleinen Kerl.
Warum wohl?«
    Seele-Fant
robbte mit dem Oberkörper ans Ufer. Sein Anblick genügte. Die Robben stoppten.
Sie wagten sich nicht näher heran. »Feuglöngö!« knurrte Seele-Fant. Dann
betrachtete er Ping Pinguins Schützling. »Nanu —«, brummte er, ör öst weuß wö
eun Böbö und öst doch keun Böbö mör!«
     

     
    »Ja, er ist
weiß. Und so niedlich.«
    »Abör
traurög!«
    »Traurig und
ängstlich. Trotzdem hat er jetzt sicher keine Lust, ein trauriges Lied mit dir
zu singen. Frag ihn lieber, warum die anderen so pfeußlich zu ihm sind!«
    »öch kann ös
mör schon dönkön...«, knurrte Seele-Fant. Dann brummte er dem weißen Seehund
beruhigend zu. Er stupste ihn freundlich mit seiner Schnauze. Er rieb seine
Nase an dem hellen Hals. Da hörte das ängstliche Zittern auf. Doch ein
bekümmertes Jaulen stieg zum Himmel empor.
    Will er
vielleicht doch singen? dachte Ping Pinguin.
    Seele-Fant
packte den Kleinen sanft wie eine Mutter ihr Junges im Nacken und schleifte ihn
zum Wasser. Er schubste ihn hinein und trieb ihn vor sich her. »Komm möt zum
Profössor!« forderte er Ping Pinguin auf.
    Der weiße
Seehund schöpfte Vertrauen. Er verließ seine Artgenossen, die sich am Ufer
zusammendrängten, ihm aber nicht folgten. Sie waren wohl zufrieden, daß sich
der mißratene kleine Kerl entfernte.
    Seele-Fant
und Ping Pinguin nahmen ihn in die Mitte. Er paddelte und schwänzelte eifrig.
Sie folgten den offenen Wasserrinnen zwischen den Eisblöcken — endlich
erblickten sie den schwarzen Rumpf und die hohen Masten des FLIEGENDEN HABAKUK.
    Der
Professor und Tim Tintenklecks hatten inzwischen die Schutzkleidungen
angezogen. Sie lehnten an der Reling und suchten die Umgebung nach Ping Pinguin
ab — manchmal richtete der Professor das Fernglas auch in den Himmel, wenn er
glaubte, ein Flugzeuggeräusch zu hören. Es war aber nur der Wind in der
Takelage.
    Als
Seele-Fant sich nun bemerkbar machte, als Ping Pinguin aufgeregt schnatterte,
kamen auch Wutz, das Urmel und Babu aus der Kajüte. Tim Tintenklecks ließ ein
Körbchen an einem Seil am Schiffsrumpf hinab. Seele-Fant und Ping Pinguin
drängten den weißen Seehund hinein — dann wurde er emporgehievt.

    Und Wutz
grunzte: »Wie goldig, öfföff! Und so sauber!«
    Das Urmel
und Babu kauerten sich auf die Planken. Tim Tintenklecks zog noch rasch Ping
Pinguin herauf. Seele-Fant blieb unten auf der Eisbank.
    Unruhig
rückte der Professor an seiner Brille, während Ping Pinguin erzählte. Danach
beugte er sich über die Reling und hörte Seele-Fant zu. Dann seufzte er
nochmals und begann wieder seine Brille zu putzen.
    Der Seehund
lag auf dem Boden, den Kopf ganz tief, den Hals lang ausgestreckt. Er schielte
scheu von Babu zu Wutz, von Wutz zum Urmel, vom Urmel zu Tim Tintenklecks und
empor zum Professor. Und als er Ping Pinguin anblickte, blinzelte er schon
vertraut.
    »Aber ich
dachte, Seehunde wären grau!« rief das Urmel. Es
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