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Urmel spielt im Schloß

Urmel spielt im Schloß

Titel: Urmel spielt im Schloß
Autoren: Max Kruse
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klopfte leise ans Glas. Zwengelmann schaute
auf und fuhr zusammen, denn da sah er wieder — wie einen Geist, wie einen
Schemen, wie eine Luftspiegelung — den Kopf des Untiers, das unter dem
Archaeopteryx gestanden hatte. — Doch schon war es wieder verschwunden.
    So geht es
nicht weiter, dachte Zwengelmann. Ich fiebere. Er stand auf, um sich etwas zu
trinken zu holen. Er ging in die Küche. Da es eine warme Nacht war, stand die
Tür zum Küchenbalkon offen. Er wunderte sich, wieso auf dem weißen Eisentisch draußen
drei Rotweinflaschen standen. «Die muß mir Naftaline besorgt haben», murmelte
er, «das gute Kind — und aufgemacht hat sie sie auch schon!»



Zwengelmann schläft
zu Hause ein und erwacht ganz woanders
     
    Direktor
Doktor Zwengelmann klemmte sich die drei Flaschen unter den zitternden Arm und
trug sie ins Wohnzimmer, an den Tisch, an dem er mit Naftaline gesessen und
Pläne gemacht hatte, damals, als sie zu ihm gekommen war. Wie mochte es ihr
gehen? Wo war sie? In wessen Hände war sie gefallen? Hoffentlich nicht in die
von Menschenfressern — oder von dem Untier verspeist, das nun auch ihn holen
wollte! Gerade jetzt war ihm der Wein willkommen. Er befleißigte sich ja sonst
eines soliden Lebenswandels. Aber es gibt Zeiten, da durchbricht der strengste
Mensch seine Grundsätze. Besser wäre es vielleicht gewesen, wenn er die
Balkontür zugemacht hätte. Aber gerade das hatte er vergessen, vor lauter
Überraschung. Manchmal war auch er ein zerstreuter Professor — ein Kollege von
Habakuk Tibatong!
    Er goß sich
ein. Er schlürfte den ersten Schluck. Der Wein kam aus keinem schlechten
Keller. Naftaline hatte Geschmack. Der Saft rann schwer und belebend durch
seine Kehle. Das Leben wurde merklich leichter. Das erste Glas war bald
geleert. Er geriet in einen Schwebezustand — immer tiefer sank der Spiegel in
der ersten Flasche. Nebel legte sich vor seine Augen — schon war er bei der
zweiten Flasche — und als die dritte ausgetrunken war, umgab ihn wohltuendes
Dunkel. Er schlief.
    Und im
Nebenzimmer, hinter dem Wandschrank, saß ein Urweltungeheuer, das schlief auch.
Es hatte so lange gedauert, bis Zwengelmann entschlummert war — nun schliefen
sie zusammen in der gleichen Wohnung. «Pfühhh — pfühhh —» machte das Urmel, und
seine Schnauze hob und senkte sich auf der atmenden Brust. Plötzlich aber
schlug eine Uhr: ein ungewohntes Geräusch. Das Urmel schreckte auf. «Au weia»,
sagte es, «uaa, bin ich müde!»
    Es hörte
Zwengelmann im Nebenzimmer schnarchen. Er lag mit dem Kopf auf dem Tisch. Das
Urmel tappte zu ihm und kratzte sich die Nasenspitze. Zwengelmann stöhnte. Er
träumte, er ächzte: «Ein Ungeheuer, ein Drache...»
    Hoffentlich
wacht er jetzt nicht auf, dachte das Urmel. Denn dann kriegt er womöglich vor
Schreck einen Herzschlag. Es schob ganz vorsichtig seine Arme unter
Zwengelmanns Oberkörper... und bald rauschten die Flügel eines großen
Raubvogels über die Stadt, eines Raubvogels, der seine Beute gepackt hatte und
zu seinem Nest schleppte und dabei sang: «Schlaf, Kindchen, schlaf...»

    Des
Raubvogels Nest war der Zoo von Pumpolon. Dort schlief der Direktor seinen
Rausch aus, im Freigehege des Pandas, der auch Bambusbär genannt wird. Der
Direktor lag ganz dicht neben dem kahlen Kletterbaum, im dunklen Straßenanzug,
den Kopf in die Arme gebettet. Und neben ihm stand ein handgeschriebenes
Schild:
    URMEL
    Kreidezeit
— entdeckt von Professor Tibatong.
    Die ersten
Sonnenstrahlen berührten den neuen Gast im Tiergarten. Die Elefanten
trompeteten, die Nilpferde rissen ihre Rachen auf und tauchten unter Wasser.
    Die Wärter
kamen, um ihren Dienst zu beginnen.
    Sie sahen
ein dunkles Häufchen im Bärengehege. Den Namen jenes Tieres hatten sie noch nie
gehört. Sie schauten einmal, sie schauten zweimal hin, sie warfen kleine
Steinchen hinein — bis jemand sagte: «Aber das ist doch ein Mensch! — Er muß
gestern dageblieben sein, als abgeschlossen wurde!»
    Sie
kletterten über die Brüstung. Sie rüttelten ihn. Einer meinte: «Der hatte
zuviel getrunken!»
    «Ein
Ungeheuer—», murmelte der Schläfer.
    «Es ist
unser Direktor!» sagte ein Wärter. «Wir müssen ihn wegbringen, ehe die Besucher
kommen!»
    Sie
versuchten ihn zu wecken. Sie richteten ihn auf und benetzten sein Gesicht mit
Wasser. Als er die Augen aufschlug, seufzte er: «Wo bin ich?»
    Es fiel ihm
schwer, das zu verstehen. Aber wie er hierhergekommen war, begriff er natürlich
trotzdem nicht. Nur
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