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Urmel spielt im Schloß

Urmel spielt im Schloß

Titel: Urmel spielt im Schloß
Autoren: Max Kruse
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quer über den Park, über den Vorplatz des
Schlosses, das dunkel und schweigend da stand, es flog über die
Straßen, wo der Verkehr brauste, die Autoschlangen mit ihren leuchtenden Augen
sich entlangwälzten, die bunten Lichtreklamen verwirrend strahlten. Das Urmel
flog langsam, es schaute hinab — dies alles hatte es noch nie gesehen, und es
wünschte, es wäre nicht so alleine.
     

    Jedoch —
Bangemachen gilt nicht, sagte es zu sich selber.
    Da es
lautlos flog und der Straßenlärm sehr groß war, wurde es von niemandem bemerkt.
Es war nur ein dunkler Körper vor einem dunklen Hintergrund — es verdeckte
höchstens einige Sterne, wie eine Wolke.
    Es strich
über die Opmuper Allee und ließ sich in der Lonierstraße auf dem Erker eines
Kaufhauses nieder. Es schlang den Schwanz um die Hinterbeine, stützte den Kopf
auf die Ärmchen und gaffte nach unten — bis ihm von dem Lärm die Ohren dröhnten
und ihm ein wenig übel wurde. Wie still war es doch auf Titiwu — und wie sauber
war dort die Luft! Dann flog es weiter. Sein Netz wurde von einer
Fernsehantenne aufgespießt. «Nutzloser Stachelkram!» schimpfte es. Ungeduldig
zerrte und riß es, bis die Schnüre wieder frei waren. Jetzt hatte es ein großes
Loch — das Netz. Aber es hielt gerade noch. Das Urmel setzte sich auf einen
Schornstein, um die Flaschen aufzurichten. Der Schornstein schien nicht benutzt
zu werden, aber plötzlich sprang im Haus die Heizung an zur Bereitung warmen
Wassers. Da wurde des Urmels Po furchtbar heiß. «Hilfe, ich werde gekocht!»
jammerte es und war schon so in Rauch eingehüllt, daß es husten
und spucken mußte und machte, daß es wegkam. Es schimpfte: «Niemand hat mir
gesagt, daß es Schornsteine gibt, die feuerspeiende Berge sind!»
    Es hatte die
Richtung verloren. Ich muß jemand nach dem Weg fragen, dachte es. Es ließ sich
mit ausgebreiteten Schwingen auf einer Straßenkreuzung nieder, gerade, als die
Ampeln von Rot auf Grün wechselten. Da fuhren die ersten Autos an, das Ungetüm
geriet in den Lichtkegel der Scheinwerfer, Bremsen quietschten, Hupen brüllten,
Autotüren sprangen auf, Menschen schrien und gestikulierten — das Urmel war
schon längst wieder weggeflogen. Es sah sich das Durcheinander vom Dach eines
Telefonhäuschens aus an.
    «Das ist
nicht der richtige Platz, um nach dem Weg zu fragen!» quiekte es. Und bevor die
Polizei kam, war es weg.
    Endlich fand
es in einer stillen Vorstadtstraße eine Terrasse. Die breite Glastür eines
Zimmers stand offen, gedämpftes Licht strahlte goldgelb nach draußen,
gefühlvolle Musik klang leise aus einem Radio. Und auf der Terrasse saßen zwei
dunkle Gestalten eng umschlungen auf einer Hollywoodschaukel. «Mein Liebling!»
murmelte eine Männerstimme, und «Oh, Darling!» hauchte eine Frau.
    «Können Sie
mir bitte sagen, wo die Tuntukullerstraße ist?» quäkte da ein Gnom, eine dunkle
Gestalt, die einer aufgeblasenen Ente mit einem Kürbiskopf ähnelte und eine
Gießkannenstimme hatte! «Hiiilllfffeee!» kreischte der Liebling und fiel in
Ohnmacht. Der Darling aber brüllte beherzt: «Hände hoch!»
    Eine feine
Art ist das, einem höflich Nach-dem-Weg-Frager zu antworten, dachte das Urmel.
Trotzdem piepste es «Entschuldigung!» und schlurfte zur offenen Balkontür, um
in das Zimmer zu gucken. «Bei Futsch ist es feiner!» murmelte es. «Hier gibt es
gar kein Rokoko! — Aber Plätzchen stehen auf dem Tisch, die sind ja wohl zum
Essen da!» Es stopfte sich eine Handvoll in den Mund, sagte auf Wiedersehen und
verschwand.
    Glücklicherweise
fand es nun ein geöffnetes Fenster. Ringsum war alles dunkel, auch in dem
Zimmer war es dunkel. Nur ein Kinderbett war undeutlich zu erkennen. Vorsichtig
setzt sich das Urmel auf das Fensterbrett und flüsterte: «Bitte nicht
erschrecken!»
    «Nein»,
antwortete eine helle Stimme. «Bist du das Sandmännchen?»
    «Wenn es dir
Spaß macht!» piepste das Urmel. «Bitte sag mir, wo die Tuntukullerstraße ist!»
    «Haha — kann
dort jemand nicht einschlafen?»
    «Genauso ist
es!»
    «Aber du
bist doch in der Tuntukullerstraße!»
    «Ach, das
ist fein! — Und wo ist die Nummer sieben?»
    «Genau
gegenüber!»
    «Vielen Dank
— nun schlaf schön weiter!»
    Für das
Urmel war es nur noch ein Hups über die Straße. Im obersten Stockwerk war ein
Zimmer erleuchtet. Das Urmel schaute durchs Fenster und erkannte den Herrn aus
dem Naturkundemuseum: Zwengelmann. Er saß mit aufgestützten Armen und starrte
ein Loch in den Teppich. Das Urmel
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