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Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)

Titel: Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
Autoren: Bree Despain
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heulten auf und verzogen sich mit zwischen den Hinterläufen eingeklemmtem Schwanz. Als sie verschwunden waren, wandte ich mich wieder dem weißen Wolf zu.
    »Daniel!«, rief ich, jetzt lauter. Meine Stimme schien seine Verzweiflung auszudrücken. »Daniel, bitte. Dan…« Plötzlich überkam mich ein flaues Gefühl. Falls ich nicht die Einzige war, die im Wald nach einem heulenden Wolf suchte, sollte ich vielleicht nicht Daniels Namen laut herumbrüllen. »Bitte, hör auf …« Ich vermied es, seinen Namen zu nennen, wenn auch ungern. Denn das war so, als würde ich akzeptieren, dass er nicht länger »Daniel« war.
    »Bitte hör auf! Du musst jetzt damit aufhören.« Die Stimme blieb mir im Halse stecken, und ich presste meine Hand auf den Mund. Ich durfte nicht in Tränen ausbrechen. »Bitte. Hör auf, bevor du verletzt wirst«, flüsterte ich zwischen meinen Fingern hindurch.
    Das Heulen des weißen Wolfs erstarb plötzlich, und als ich wieder über die Schlucht blickte, sah ich, dass er mich anstarrte. Sein pelziger Kopf reckte sich merkwürdig. Für einen Augenblick sah ich seine funkelnden Augen, dann richtete er sich langsam auf alle viere auf.
    »Nein«, sagte ich. »Geh nicht.« Ich hob meine Hand zu einem Stopp-Signal – es war dieselbe Bewegung, die ich zum Abrichten meiner dreibeinigen Hündin Daisy gelernt hatte. »Bitte, lauf nicht wieder fort.«
    Der Wolf kam zwei Schritte auf den Rand der Schlucht zugelaufen und blickte herüber, sein Kopf machte wieder diese seltsame Bewegung. Erkannte er mich noch immer? In meiner Brust keimte Hoffnung auf, und ich blieb so ruhig wie möglich stehen, um ihn nicht zu verschrecken. Ich schwöre, in der Stille, die den dunklen Wald jetzt einhüllte, nachdem das Heulen aufgehört hatte, glaubte ich, sein Herz schlagen zu hören.
    Es war der einzelne Herzschlag des Wolfs. Nicht zwei Herzen, wie ich es von jedem anderen Werwolf kannte. Noch immer wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte. Noch immer wusste ich nicht, was er geworden war.
    Als er das Gewicht ganz leicht auf die Hinterläufe verlagerte, sah es einen Moment lang so aus, als überlegte der Daniel-Wolf, über die Schlucht zu springen, um zu mir zu gelangen.
    »Komm.« Ich gab ihm ein Zeichen. »Bitte, Daniel«, rief ich leise. »Ich brauche dich. Wir brauchen einander.«
    Beim Klang seines Namens schien er zu stutzen. Er wandte den Blick ab. Ich hatte dabei das Gefühl, dass mein Herz in die Tiefen der Schlucht hinabstürzte.
    »Nein!«, schrie ich. Ich streckte die Hände aus, so als könnte ich ihn packen und zurückhalten, aber er sprang in das Dickicht und lief tiefer in den Wald hinein, als wir jemals gemeinsam in ihn vorgedrungen waren.
    Kurz überlegte ich, ihm zu folgen – über die Schlucht zu springen, auch wenn ich nicht die Kraft haben würde, es in einem Satz zu schaffen. Ich wollte alles tun, um ihm wieder nahe zu sein. Doch als ich den Baumstamm losließ, versagte mein Knöchel und ich musste mich hinsetzen.
    Ich wartete, dass das Heulen in irgendeinem unerreichbaren Winkel des Waldes von Neuem ertönte, zählte meine eigenen einsamen Herzschläge, während die Minuten vergingen und nichts zu hören war. Ein überwältigendes Gefühl der Erschöpfung brach über mich herein – ich war sowohl erleichtert darüber, dass das Heulen aufgehört hatte, als auch verzweifelt, weil ich Daniel nicht hatte zu mir zurückholen können – und zum ersten Mal seit unserer Flucht aus Calebs Lagerhaus gestattete ich mir zu weinen.
    Ich saß auf dem Boden und schluchzte hemmungslos in mich hinein, als eine schrecklich flüsternde Stimme in meinem Kopf ertönte. Du verlierst ihn. Und du kannst nichts dagegen tun.
    »Nein«, entgegnete ich dem Monster in meinem Kopf. Ich rappelte mich auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht; ich hasste mich selbst für meine Schwäche. »Daniel und ich haben zu viel durchgemacht, wir sind zu weit gekommen, und ich werde ihn nicht verlieren. Ich werde es nicht zulassen.«
    Koste es, was es wolle.

KAPITEL 2
    Die verlorenen Jungs
    Sechs Monate zuvor
    »Ist dir kalt?«, fragte Daniel. Er saß hinter mir auf einer Steinbank, hatte die Arme um meine Schultern geschlungen und drückte seine Brust gegen meinen Rücken, während ich an einer Kohlezeichnung für den Kunstunterricht arbeitete. Seine Körperwärme drang durch das Hemd und ließ meine Haut unter dem dünnen Pullover prickeln. Ich zitterte, aber nicht, weil mir kalt war. Nicht mehr.
    »Mmh«, erwiderte ich und
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