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Urangst

Urangst

Titel: Urangst
Autoren: Dean Koontz
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Ein blaues Sofa und blaue Sessel standen auf einem goldgelben Teppich, aber zwei Lampen warfen ein Licht, das so matt und stumpf wie Asche war und die Farben dämpfte, als hätte der Rauch eines längst gelöschten Feuers alles mit einer Patina überzogen.
    Wenn es in der Hölle offizielle Empfangsräume für die wartenden Massen gab, dann konnten sie durchaus so ordentlich und freudlos sein wie dieses Zimmer.
    »Mazie hat er verkrüppelt«, wiederholte Janet. »Vier Monate später hat er …« Sie sah kurz auf ihre Tochter hinunter. »Vier Monate später ist Mazie gestorben.«
    Brian, der gerade dabei war, die Haustür zu schließen, zögerte. Er ließ sie lieber halb offen. Es war eine milde Septembernacht.
    »Wo ist Ihr Hund?«, fragte Amy.
    »In der Küche.« Janet legte eine Hand auf ihre geschwollene Lippe und sprach durch ihre Finger. »Bei ihm.«
    Das Kind war eigentlich zu alt, um so hingebungsvoll am Daumen zu lutschen, aber diese frühkindliche Angewohnheit beunruhigte Brian weniger als ihr starrer Blick. Die blauvioletten Augen waren erwartungsvoll aufgerissen und schienen durch frühere Erfahrungen lädiert.
    Die Luft fühlte sich dicker an, wie es unter dichten Gewitterwolken der Fall ist, wenn sintflutartige Regenfälle drohen.
    »Wo geht es zur Küche?«, fragte Amy.
    Janet führte die beiden unter einem Bogen durch in einen Flur, den dunkle Zimmer wie überflutete Grotten säumten. Ihre Tochter glitt neben ihr her, so fest angesaugt wie ein Schiffshalter an einem größeren Fisch.
    Der Flur lag im Dunkeln. Nur am hinteren Ende fiel ein dünner Streifen aus Licht aus einem dahinter liegenden Raum.

    Die Schatten schienen näher zu kommen und sich wieder zurückzuziehen, um gleich darauf wieder näher zu kommen, aber diese eingebildete Bewegung war nur Brians kräftiger Puls. Sein Gesichtsfeld zog sich im Takt seines schwerarbeitenden Herzens zusammen und weitete sich wieder.
    Exakt in der Mitte des Flurs lehnte ein Junge mit der Stirn an der Wand und hatte seine Hände an den Schläfen zu Fäusten geballt. Er war vielleicht sechs Jahre alt.
    Er gab einen ganz leisen Klagelaut von sich, fast wie Luft, die, Molekül für Molekül, aus dem zugedrehten Ende eines Luftballons entweicht.
    Janet sagte: »Es wird schon gutgehen, Jimmy«, doch als sie ihm eine Hand auf die Schulter legte, wich er ihr aus.
    Gefolgt von ihrer Tochter setzte sie ihren Weg ans Ende des Flures fort und stieß die Tür auf. Aus der schmalen Lichtklinge wurde ein richtiges Breitschwert.
    Als er hinter den beiden Frauen und dem Mädchen die Küche betrat, hätte Brian fast glauben können, der Golden Retriever sei die Lichtquelle. Die Hündin saß wachsam in der Ecke zwischen Herd und Kühlschrank und schien zu leuchten.
    Sie war weder rein blond noch hatte sie den Kupferton mancher Retriever, sondern strahlte in vielen unterschiedlichen Goldtönen. Ihre Unterwolle war dicht, ihr Brustkorb tief und gut gewölbt, ihr Kopf wunderschön geformt.
    Noch unwiderstehlicher als das Aussehen der Hündin waren ihre Körperhaltung und ihre Ausstrahlung. Sie saß mit erhobenem Kopf aufrecht da und ihre Wachsamkeit drückte sich in einem leichten Anheben der Schlappohren und dem unentwegten leichten Zittern ihrer geblähten Nasenflügel aus.
    Sie drehte den Kopf nicht, richtete ihre Augen jedoch für einen kurzen Moment auf Amy und Brian – dann aber gleich wieder auf Carl.

    Den Hausherrn konnte man im Moment nicht gerade als einen ganzen Mann bezeichnen. Aber vielleicht war er auch nur das, was am Ende aus jedem werden könnte, der sich ganz seinem Elend überlässt.
    In nüchternem Zustand war sein Gesicht wahrscheinlich freundlich oder zumindest wie eines dieser Gesichter, die man zu Tausenden in den Straßen der Städte sieht, eine nichtssagende Maske aus gutartiger Teilnahmslosigkeit, die Lippen schmal, der Blick auf ein fernes Nichts gerichtet.
    Als er jetzt neben dem Küchentisch stand, hatte er einen ausdrucksstarken Charakterkopf, wenn auch von der falschen Sorte. Seine Augen waren vom Alkohol wässrig und blutunterlaufen und starrten unter zusammengezogenen Augenbrauen hervor wie die eines Stieres, der sich auf allen Seiten von herausfordernden roten Tüchern umgeben sieht. Sein Unterkiefer hing schlaff herab. Seine Lippen waren aufgesprungen, vielleicht von der chronischen Dehydrierung, unter der Alkoholiker oft leiden.
    Carl Brockman richtete seinen Blick auf Brian. In diesen Augen glänzte nicht etwa die blinde Aggression eines
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