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Urangst

Urangst

Titel: Urangst
Autoren: Dean Koontz
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bei dem Geräusch, das er in seiner Wohnung gehört hat, als er wie besessen Nickies Augen abbildete, um das Schlagen von riesigen Flügeln handelte, was für die These mit dem Engel spricht. Amy ist der Auffassung, da Arbeitsteilung und Karrierepolitik in himmlischen Gefilden keinem lebenden Menschen bekannt seien, gäbe es guten Grund zu der Annahme, dass die Wesenheit in Nickie sowohl ihre verlorene Tochter als auch ein Engel, letztendlich also ein und dasselbe war.
    Richtig gut waren Amy und Brian darin, ohne ernsthafte Folgen zu sterben. In der Küche des Leuchtturmwärters waren sie tödlich verwundet worden. Daran hegen sie nicht den geringsten Zweifel, und doch sind sie seither nicht nur quicklebendig, sondern haben auch keine Narben zurückbehalten.
    So, wie Hope es erzählt – und sie lügt nicht –, hat Nickie sie in die Küche gezerrt und ist mit ihr über den Tisch geflogen . Hope hatte schon oft genug Tote gesehen, aber sie war noch nie zuvor auf einem Hund geflogen. Sie ließ das Halsband los und ist, »hingeplumpst, patsch« und hat »Wow!« gesagt.
    Nickie breitete sich über der verwundeten Amy und dem verwundeten Brian aus, als sei sie eine Felldecke. Ihre bleichen Gesichter nahmen wieder Farbe an, ihre Augenlider öffneten sich flatternd, ein paar kleine Schrammen, die nichts mit den Schüssen und den Messerstichen zu tun hatten, verheilten und Brians Bartstoppeln verschwanden, Amy fiel wieder ein, wo sie vor einem Jahr ein Rezept für Buttertoffee hinverlegt hatte, Brian stellte fest, dass ihm die Weisheitszähne nachgewachsen waren, die er sich vor Jahren hatte ziehen lassen, und sämtliches Blut auf ihren Kleidungsstücken
und auf dem Fußboden war »einfach weg, irgendwie woandershin verschwunden«.
    Hope sagt auch, Nickie hätte den beiden während der ersten Minuten der Heilung »so oft die Gesichter abgeleckt, als hätte sie sie nicht mehr alle«, was wiederum erklärt, warum Brians erste Klage nach der Auferstehung lautete, er hätte so einen komischen Geschmack auf den Lippen.
    Weder Amy noch Brian zweifeln auch nur im Geringsten daran, dass ihnen außer der körperlichen auch psychische und emotionale Heilung zuteilgeworden ist, denn sie haben schneller Frieden gefunden, als man es nach ihren Erlebnissen für möglich gehalten hätte. Wenn man bedenkt, wie ausgeglichen Hope nach den zehn Jahren in der Hölle ist, die sie in der Gewalt ihrer Mutter verbracht hat, dann könnte auch ihr eine ähnliche Gnade gewährt worden sein.
    Hope hat mittlerweile lesen und schreiben gelernt und den Wissensstand der fünften Klasse erreicht. Sie hat sich selbst schon seit vielen Monaten nicht mehr als blöd bezeichnet. Jedes Mal, wenn sie das tut, muss sie zehn Cent von ihrem Taschengeld zurückgeben.
    Sie hatten nicht nur eine ganze Reihe dieser kleinen übernatürlichen Momente erlebt, die sich womöglich psychologisch oder naturwissenschaftlich wegerklären lassen – wie zum Beispiel, dass man einen Bleistift jedes Mal, wenn man ihn hinlegt, immer noch in der Hand hält –, sondern ihnen war auch ein wahres Wunder widerfahren, was zur Folge hatte, dass ihnen die mysteriösen Muster im Leben stärker bewusst sind als je zuvor. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass sie aufgrund ihrer geschärften Wahrnehmung im Leben besser zurechtkommen. Ein Muster zu sehen und es richtig zu deuten sind zwei verschiedene Dinge, und vielleicht sind die einzigen Menschen, die Muster deuten und ihr Leben entsprechend gestalten können, angehende
Heilige oder Verrückte von der angenehmen Sorte. Hurra.
    Fred, Ethel und Nickie verbringen ihr Leben weiterhin gemeinsam mit Amy und Brian und sind eine fröhliche Horde von Kids. Drei Tage nach den Ereignissen in jenem September kehrte die Nickie mit den Flügeln, die in der Nickie mit dem Fell gesteckt hatte, in ihr endgültiges Zuhause zurück. Nach einem besonders ausgiebigen und liebevollen Schmusen auf dem Sofa kündigte sie ihr Verschwinden mit einem freudigen Flügelschlagen an, das von einem Ende des Bungalows bis ans andere hallte. Jetzt ist Nickie, die einem betrunkenen Irren für zweitausend Dollar – ein Spottpreis! – abgekauft wurde, nichts weiter als ein braver Hund, doch unter all den Dingen, die man sein kann, zählt ein braver Hund schließlich zu den besten.
    Millie und Barry Packards blinde Hündin Daisy erlangte eines Tages nach einem Besuch von Nickie ihr Augenlicht wieder, aber dem dreibeinigen Mortimer wuchs kein neues Bein nach. So ist das
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