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Urangst

Urangst

Titel: Urangst
Autoren: Dean Koontz
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nicht verkneifen: »Dann darf Marco also nicht mehr Auto fahren?«
    »Er ist andauernd irgendwo drangefahren.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Aber dafür kann Antoine nichts.«
    »Welcher Antoine?«
    »Antoine. Der Hund. Ich bin sicher, dass er sein Bestes gegeben hat. Hunde geben immer ihr Bestes. Marco ist ihm einfach nur einmal zu oft zuvorgekommen.«
    »Pass auf, wo du hinfährst. Achtung, Linkskurve.«
    Sie lächelte ihn an und sagte: »Du bist mein ganz persönlicher Antoine. Du würdest niemals zulassen, dass ich irgendwo dranfahre.«
    In dem salzbleichen Mondschein schienen sich die einstöckigen Häuser eines älteren mittelständischen Wohngebiets aus der Dunkelheit herauszukristallisieren.
    Die Nacht wurde nicht von Straßenlaternen erhellt, doch der Mond versilberte das Laub und die hellen Stämme der Eukalyptusbäume. Hier und da hatten verputzte Wände den schwachen Schimmer von Ektoplasma, als handele es sich um die Phantombauten einer Geisterstadt, in der die Seelen von Verstorbenen hausten.
    In einem Haus in der zweiten Reihe brannte hinter den Fenstern Licht.
    Amy machte mitten auf der Straße eine Vollbremsung, und das Licht der Scheinwerfer wurde von den reflektierenden Ziffern der Hausnummer auf dem Briefkasten am Straßenrand zurückgeworfen.
    Sie legte den Rückwärtsgang ein und stellte sich rückwärts
in die Auffahrt. »In einer zweifelhaften Situation sollte man seinen Wagen stets so abstellen, dass man schleunigst verschwinden kann.«
    Als sie die Scheinwerfer und den Motor ausschaltete, sagte Brian: »Zweifelhaft? Inwiefern zweifelhaft?«
    Während sie aus dem Wagen stieg, sagte sie: »Bei einem wahnsinnigen Betrunkenen kann man nie wissen.«
    Brian trat neben sie, als sie die Heckklappe öffnete. Er warf einen Blick auf das Haus und sagte: »Da drinnen ist also ein Wahnsinniger und er ist betrunken.«
    »Am Telefon hat diese Janet Brockman gesagt, Carl – also ihr Mann – sei ein betrunkener Irrer, was wahrscheinlich bedeutet, dass er sich in den Wahnsinn gesoffen hat.«
    Amy ging auf das Haus zu. Brian fasste sie an der Schulter, damit sie stehen blieb. »Was, wenn er in nüchternem Zustand schon wahnsinnig ist und es jetzt noch schlimmer ist, weil er sich betrunken hat?«
    »Ich bin kein Psychiater, mein Goldschatz.«
    »Vielleicht ist das eher etwas für die Polizei.«
    »Die Polizei hat keine Zeit für betrunkene Irre wie den.«
    »Ich würde meinen, betrunkene Irre sind genau das, womit sich die Polizei beschäftigt.«
    Sie schüttelte seine Hand ab, ging weiter auf das Haus zu und sagte: »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Er ist gewalttätig. «
    Brian eilte hinter ihr her. »Er ist wahnsinnig, betrunken und gewalttätig?«
    »Wahrscheinlich wird er mir gegenüber nicht gewalttätig werden.«
    Auf den Stufen zur Veranda sagte Brian: »Und was ist mit mir?«
    »Ich glaube, seine Gewalttätigkeit richtet sich nur gegen den Hund. Aber wenn dieser Carl mir doch eine reinhauen
will, dann geht das schon in Ordnung. Dafür habe ich ja dich dabei.«
    »Mich? Ich bin Architekt.«
    »Heute Nacht nicht, Süßer. Heute Nacht bist du mein Bodyguard.«
    Brian hatte sie schon auf anderen derartigen Missionen begleitet, aber noch nie nach Mitternacht und in das Haus eines wahnsinnigen gewalttätigen Betrunkenen.
    »Was ist, wenn ich Testosteron-Mangelerscheinungen habe?«
    »Hast du Testosteron-Mangelerscheinungen?«
    »Letzte Woche sind mir die Tränen gekommen, als ich dieses Buch gelesen habe.«
    »Bei diesem Buch kommen jedem die Tränen. Das beweist nur, dass du menschlich bist.«
    Als Amy nach dem Klingelzug griff, ging schon die Tür auf. Eine junge Frau mit einer grün und blau geschlagenen Mundpartie und blutender Lippe trat auf die Schwelle.
    »Ms. Redwing?«, fragte sie.
    »Sie müssen Janet sein.«
    »Ich wünschte, ich wäre es nicht. Ich wünschte, ich wäre Sie oder sonst jemand, irgendjemand.« Sie trat von der Tür zurück und forderte die beiden zum Eintreten auf. »Lassen Sie nicht zu, dass Carl sie zum Krüppel schlägt.«
    »Dazu wird es nicht kommen«, beteuerte Amy.
    Janet tupfte mit einem blutigen Tuch ihre Lippen ab. »Mazie hat er schon verkrüppelt.«
    Ein blasses Mädchen von etwa vier Jahren klammerte sich an Janet. Sein Mund war mit einem Daumen zugestöpselt und mit der Faust zerknitterte es die Schöße von Janets Bluse und hielt sich daran fest, als erwartete es einen plötzlichen Wirbelsturm, der es von seiner Mutter losreißen könnte.

    Das Wohnzimmer war grau.
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