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Titel: Upload
Autoren: Cory Doctorow
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Ferlenghettis Stellungnahme äußern wolle, fummelte er nervös an seinem Komset herum. Während der Priester ihn unter 306
    Augenbrauen anstarrte, die so dicht waren, dass sich darin ein Hamster hätte verstecken können, zitierte er wörtlich einige Aufzeichnungen des Arztes, der mich seinerzeit in die Klinik aufge-nommen hatte. Mit gerötetem Gesicht nahm er hastig wieder Platz.
    »Danke.« Die Richterin schüttelte den Kopf.
    Oma, die neben mir saß, legte eine Hand auf mein Knie und die andere auf das Knie von Doktor Szandors Schwager, der sein Jurastudium an der Harvard University mit Bravour abgeschlossen hatte. Wir hatten ihn als Rechtsbeistand für unsere eben erst gegründete GmbH angeworben. Gestern, nach der Gruppentherapie, hatten wir die Gründungsurkunde unterzeichnet. Gleich danach hatte Doktor Szandor seine Stelle in der Klinik gekündigt, um den Posten des Chefarztes bei der HumanCare GmbH zu übernehmen. HumanCare
    ist eine Firma, die kaum Kapital und gar keine Angestellten hat, dafür aber jede Menge saustarker Ideen zur Neugestaltung psychiatrischer Anstalten. Denn abgesehen von der handelsüblichen Technik setzen wir auf die kleinen Tricks eines benutzerfreundlichen Designs.

307
    >>>>>>>>>>> 30
    Art hatte die U-Bahn-Haltestelle fast erreicht, als er auf Lester stieß. Buchstäblich.
    Lester hatte ihn offenbar kommen sehen, denn er trat Art aus dem Gedränge heraus in den Weg.
    Art stieß mit ihm zusammen, prallte von seinem zerbeulten Panzer ab und wäre zu Boden gegangen, hätte Lester ihn nicht am Arm festgehalten.
    »Art, bist du das? Wie geht’s dir, Junge?«
    Art glotzte ihn mit offenem Mund an. Lester war dünner als zu der Zeit, als er Art und Linda im Eingang der Boots-Apotheke hatte ausrauben wollen, außerdem wirkte er verwahrloster und verzweifelter. Seine Stimme klang aber so benebelt wie immer. »Lieber Himmel, Lester, nicht jetzt, ich hab’s eilig. Du musst mich später ausrauben, ja?«
    Lester kicherte amüsiert. »Immer noch ein cleverer Mistkerl. Du siehst aus, als hättest du in letzter Zeit einiges mitgemacht, alter Junge. Wahrscheinlich lohnt’s sich gar nicht, dich auszurauben, wie?«
    »Stimmt. Ich bin total pleite, tut mir leid. War nett, dich mal wieder zu sehen, aber jetzt muss ich weiter.« Er versuchte sich von ihm zu lösen, 308
    aber Lesters Finger gruben sich schmerzhaft tief in seinen Bizeps.
    »Ich hab gehört, du hast Tom getroffen und dir mit ihm eine nette kleine Verfolgungsjagd geliefert. Weißt du, ich hab deinetwegen eine ganze Woche im Knast verbracht.«
    Nochmals bemühte Art sich, den Arm loszureißen, aber er schaffte es nicht. »Du hast versucht, mich auszurauben, Les. Du wusstest doch vorher, dass es ein gefährlicher Job ist, oder nicht?
    Und jetzt lass mich los – ich muss meinen Zug erwischen.«
    »Fährst du in Urlaub? Wie schön. Und ich dachte, du bist pleite.«
    Neben ihnen bog ein Motorroller auf die Standspur ein, den eine fesche junge Polizistin mit einem albernen Schaumstoffhelm und Schonern an Knien und Ellbogen lenkte. Sie wirkte fast kind-lich, denn sie sah so aus, als hätte eine überfürsorgliche Mutter sie in grässlich derbe Klamotten gesteckt und damit zum Gespött der Nachbarschaft gemacht.
    »Alles in Ordnung, meine Herren?«
    Lester schloss die Augen und seufzte so ge-quält, dass er fast stöhnte.
    »Aber ja doch, Frau Wachtmeisterin«, erwiderte Art. »Peter und ich haben uns gerade darauf ge-einigt, heute unsere Tante zum Abendessen zu besuchen.«

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    Lester schlug die Augen auf und verzog die Mundwinkel leicht nach oben. »Genau. Mein Cousin Alphonse kommt nämlich von sehr weit her, aus Kanada, und Tantchen ist ganz wild darauf, ihm ein ordentliches englisches Essen zu machen.«
    Die Polizistin musterte die beiden von Kopf bis Fuß und schüttelte den Kopf. »Sir, ich bitte um Verzeihung, aber ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass es in London Clubs gibt, wo ein Gentleman wie Sie auf legale Weise einen jungen Begleiter finden kann. Wir raten dringend davon ab, solche Geschäfte auf der High Street zu tätigen. Ist nur ein guter Rat. Sie verstehen mich doch, oder?«
    Art errötete bis in die Haarspitzen. »Danke, Frau Wachtmeisterin«, erwiderte er mit schwa-chem Lächeln. »Ich werd’s mir merken.«
    Nachdem die Polizistin Lester einen strengen Blick zugeworfen hatte, ließ sie den Motorroller wieder an, lenkte ihn auf die Straße und durch-schnitt mit dem ausgestreckten Arm die Luft, bevor sie an der Ecke
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