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Titel: Upload
Autoren: Cory Doctorow
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Ich hatte eine Meinungsverschie-denheit mit einigen Kollegen, die etwas getan hatten, was ich für unmoralisch hielt. Daraufhin beschlossen diese Kollegen, mich für ein Weilchen aus dem Verkehr zu ziehen, damit ich ihnen die Tour nicht vermasselte und sie freie Bahn hatten.
    Also haben sie die Zwangseinweisung ausgeheckt und bei der Londoner Polizei ausgesagt, ich hätte den Verstand verloren. Und so wurde ich als angeblich gefährlicher Paranoiker zur Beobachtung in die hiesige Psychiatrische Klinik eingewiesen.
    Als das Klinikpersonal mich befragte, habe ich er-klärt, was geschehen ist. Da ich behauptete, die Leute, die hinter meiner Zwangseinweisung steckten, hätten mir den Verfolgungswahn nur aus Eigeninteresse angedichtet, stuften die Ärzte mich als echten Paranoiker ein. Aber verraten Sie mir bitte, wie ich hätte beweisen sollen, dass ich nicht paranoid bin? Als ich zur Beobachtung eingeliefert wurde, stand doch vom ersten Moment an fest, dass man mich als unzurechnungsfähig betrachten würde. Ich hätte sonst was sagen oder tun können, egal was: Nichts hätte die Ärzte vom Ge-genteil überzeugt.«

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    Die Richterin blickte vom Komset auf und betrachtete mich noch einmal von Kopf bis Fuß. Ich trug meine beste Tageskleidung: ein schlichtes weißes Hemd im schäbig-eleganten Londoner Stil, graue Wollhosen und einen schmalen blauen Schlips. In Großbritannien machte man damit einen recht schicken Eindruck, aber mir war klar, dass ich in den USA in diesem Aufzug wie ein ält-licher Missionar der Mormonen wirken musste, der zur Bekehrung seiner Mitmenschen die Häuser abklappert. Rufe zum Handeln auf, dachte ich.
    Deine Rede muss stets mit einem Aufruf zum Handeln enden. Auch diese schwachsinnigen Phrasen, die ich Lindas bescheuertem Ex verdanke, gehören zu der an der amerikanischen Westküste so belieb-ten New Age -Gehirnwäsche.
    »Und deshalb wollte ich die heutige Verhandlung zu einer eigenen Stellungnahme nutzen. Damit Sie erfahren, was mir zugestoßen ist, und mir einen Rat geben. Wenn wir zur Abwechslung mal kurz davon ausgehen, dass ich nicht verrückt bin, wie kann ich dann vor diesem Gericht meine Zurechnungsfähigkeit beweisen?«
    Die Richterin wiegte den Kopf so heftig hin und her, dass ihr die glänzende schwarze Haarmähne wie ein Wasserfall über den Rücken floss. Die ganze Anhörung ist mir nur noch verschwommen in Erinnerung, aber dieses Haar! Wann hat man je eine Staatsdienerin mit schönem langem Haar gesehen?

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    »Mr. Berry«, erwiderte sie. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht viel raten. Es ist meine Pflicht, mir die Beurteilungen qualifizierter Fachleute anzuhören und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu fällen. Sie haben keinen qualifizierten Zeugen präsentiert, der Ihre Position unterstützt. In Ermangelung einer solchen Aussage habe ich keine andere Wahl, als Sie wieder in die Obhut des Psy-chiatrischen Dienstes zu übergeben, bis eine Gruppe qualifizierter Fachleute sich für Ihre Ent-lassung ausspricht.« Ich rechnete schon damit, dass sie mit dem Richterhammer klopfen würde, doch stattdessen gab sie nur etwas in ihr Komset ein und übermittelte den Beschluss der Protokollantin. Gleich darauf wurde ich abgeführt.
    Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, mit Oma zu sprechen.

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    >>>>>>>>>>> 26
    ##Adressbucheintrag »Toby Ginsburg«,
    empfangen von Colonelonic
    ##Colonelonic (vertraulich): Der Kerl
    hat irgendwas vor. Ist in dieser Woche
    zweimal nach Boston geflogen. Hat eine
    Anzahlung für ein Haus in Orange County
    geleistet. Ein _großes_ Haus. Eine _große_
    Anzahlung. Außerdem ein Auto gekauft:
    einen T-Bird-Oldtimer, Cabrio mit Benzin-motor! Hat CO2-Emissionsrechte für ein
    ganzes Jahr im Voraus bezahlt, um damit
    rumzufahren.
    Trepan /vertraulich an Colonelonic: Na
    so was. Für wen arbeitet er?
    ##Colonelonic (vertraulich): Ist selbst-
    ständig. Hat letzte Woche beim Bund eine GmbH angemeldet. Der Laden nennt sich
    »TunePay, Inc.« Er ist der Vorstandschef, aber er hält nur eine Minderheit der Anteile. Die übrigen Gemeinschaftsanteile hält eine Scheinfirma in London. Mehr Einzelheiten hätte ich nur mit einem Rechnungs-prüfungs-Tool der Steuerermittlung heraus-290
    finden können, und dann wäre ich hier im Handumdrehen rausgeflogen.
    Trepan /vertraulich an Colonelonic:
    Das reicht schon. Ich kann mir ungefähr
    vorstellen, was da läuft. Ich bin dir was schuldig, klar?
    ##Colonelonic (vertraulich): Blut-
    Schweiß&Tränen-Faktor = 0. Erzählst du
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