Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
das Bewusstsein, dass sie Aufsehen erregte.
    Sie musterte das Büro, die aufgestapelten Kartons, die Kakteen in ihren Töpfen. Der Mann hinter ihr fragte: »Sind Sie der Schlappschwanz?«

    Unique lachte so laut auf, dass Martin die Trommelfelle schmerzten. »Das ist er. Dieser Trottel da.« Sie deutete mit einem langen Fingernagel auf ihn.
    Norton Shaw warf Martin einen argwöhnischen Blick zu, bevor er sich umdrehte und wortlos die Treppe wieder hochstieg.
    Die Frau zog eine Brieftasche aus ihrer Jacke. Sie klappte sie auf und zeigte Martin eine goldene Marke. »Ich bin Anabahda.«
    Mit zusammengekniffenen Augen starrte Martin den Ausweis über der Marke an und versuchte, die Tonfolge, die er gehört hatte, mit dem geschriebenen Namen in Verbindung zu bringen. Doch sie klappte die Brieftasche zu schnell wieder zu.
    »Das ist Detective Bruce Benedict, mein Partner.«
    Der Mann zwinkerte Martin zu, aber seine Aufmerksamkeit war deutlich auf Unique gerichtet, denn er musterte sie vom Kopf bis zu den Füßen. Mit seinen nach hinten pomadisierten Haaren, dem teuren Anzug und der weinroten Seidenkrawatte erinnerte er Martin an eine Figur aus einem Roman von Stuart Woods. Und wie eine typische Woods’sche Figur trat er auf, als wollte jede Frau, die ihm begegnete, ihm einen blasen.
    »Sind Sie Martin Reed?«, fragte Anabahda.

    »Ja«, sagte er und fügte schnell hinzu: »Ma’am«, um ihr seinen Respekt vor ihrer Amtsgewalt zu bezeugen. »Sind Sie wegen meines Autos hier? Ich hoffe, Sie haben den Kerl erwischt.«
    »Warum gehen wir nicht irgendwohin, wo wir reden können? Ihr Chef meinte, wir könnten das Besprechungs…«
    »Haben Sie eine Karte?«, warf Unique dazwischen.
    Martin lächelte Anabahda an. »Sie müssen entschuldigen …«
    »Trottel, das sind Detectives. Wegen dem ›Schlappschwanz‹ auf deinem Auto schicken die doch keine Detectives.« Sie schnippte mit dem Finger in Benedicts Richtung. »Geben Sie mir Ihre Karte.«
    Der Mann warf seiner Partnerin ein wissendes, schiefes Lächeln zu, als er Unique die Karte gab.
    »Morddezernat!«, kreischte sie und wäre fast vom Stuhl gefallen. »Martin, mit Mordbullen redet man nicht. Mein Cousin hat einmal mit ihnen geredet und sitzt jetzt für zwanzig Jahre im Gefängnis.«
    Anabahda fragte: »Wie heißt Ihr Cousin?«
    Uniques Gesicht wurde völlig leer. Sie griff nach ihrer Handtasche. »Ich glaube, ich habe meinen Herd nicht ausgeschaltet.« Dann eilte sie zur Tür
hinaus, und nur der schwache Geruch von Knoblauch und Mokka-Latte verriet noch, dass sie hier gewesen war.
    Martin schluckte. Von Benedict abgesehen, war er jetzt allein mit ihr. »Darf ich Ihre Karte auch sehen, bitte?«
    Sie holte noch einmal ihre Brieftasche heraus und zog eine Karte aus einem der Fächer. »Das ist nur eine Routinebefragung, Mr. Reed. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    Er nahm die Karte, und ein elektrischer Schlag durchzuckte seinen Körper, als seine Finger die ihren streiften. Martin fiel auf, dass sie an ihren Fingernägeln kaute, so wie er.
    »Mr. Reed?«
    Nun merkte er, dass er sie anstarrte. Martin senkte den Kopf und las die Karte: Detective Anther »An« Albada, Morddezernat . »An«. Nicht »Anne« oder »Ann«, sondern »An«. Diese Schlichtheit war atemberaubend und bezaubernd. Und Albada … wie exotisch, wie fremdartig … Am liebsten hätte er die erhabenen Buchstaben gestreichelt, um zu sehen, ob die Empfindung wiederkam.
    »Mr. Reed?« Mit verschränkten Armen lehnte sie an Uniques Schreibtisch. An ihrem Handgelenk sah er eine goldene Timex - unauffällig und praktisch, so wie die ganze Dame.

    Sie sah müde aus. Er überlegte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie ihren Kopf in seinen Schoß legte. Martin errötete bei der Vorstellung, denn er dachte, wenn sie seine Gedanken lesen könnte, dann würde sie wohl vermuten, dass sein Wunsch nach ihrem Kopf in seinem Schoß eine sexuelle Konnotation hatte, doch das war ganz und gar nicht der Fall - er wollte ihr einfach über die Haare streichen und sie fragen, wie ihr Tag gewesen sei. Vielleicht würde er ihr Fischstäbchen und Bratkartoffeln machen (sein Lieblingsessen), und wenn die Kinder nach Hause kämen, würde er ihnen bei den Hausaufgaben helfen, und später dann sie ins Bett tragen, wo sie sich sanft und zärtlich lieben würden, und sie würde in seine Augen schauen und …
    »Mr. Reed?«
    Martin schaute sie wieder an. »Ja, Ma’am?«
    »Können Sie uns sagen, wo Sie gestern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher