Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
waren?«
    »In der Arbeit.«
    »Ich meine, nach der Arbeit.«
    »Ich habe meine Mutter in den Pfingstrosenclub gefahren. Sie hatte ihr gutes Grabschäufelchen dort vergessen.«
    »Und danach?«
    Martin spürte, wie er rot wurde. Die Kehle wurde
ihm eng. Er hatte seine Mutter nach Hause gefahren, und dann hatte er etwas Schreckliches getan - so schrecklich, dass ihm die Worte im Hals stecken blieben. Ein einziges Mal fragte ihn jemand, was er am Abend zuvor getan hatte, und er hatte tatsächlich etwas getan, aber er konnte nicht darüber reden. Zumindest nicht mit dieser zauberhaften Blume von einer Frau. Ach, was für eine Ironie! Wie unschön das doch alles war!
    Die Toilettenspülung war zu hören. Überrascht von dem Geräusch drehten alle drei die Köpfe. Daryl Matheson zog den Reißverschluss seines Overalls zu, als er ins Büro trat und sagte: »Scheiße, Marty, gib mir das Spray. Irgendwas ist da grade rausgekrabbelt aus mei…« Er brach ab, als er Martins Gäste sah. »Was wollen denn die Bullen hier?«
    Martin zog seine oberste Schreibtischschublade auf und holte das BelOdor-Spray Fresh Nature heraus (einen der Verkaufsschlager von Southern Toilet Supply). »Sie sind wegen meines Autos hier«, antwortete Martin. »Sag Ben Sabatini das, wenn du ihn das nächste Mal siehst.«
    Daryl nahm das Spray und verschwand wieder im Klo. Es war so still im Büro, dass sie das Sprühen und Husten hören konnten. Martin hielt den Atem an (Southern Toilet Supply hatte sich außergerichtlich
mit einer Kundin geeinigt, die behauptet hatte, BelOdor zerfresse ihr die Speiseröhre) und lächelte An an.
    Daryl kam wieder aus der Toilette und wedelte mit der Hand die Dämpfe weg. Er krächzte, als er sagte: »Scheiße, tut mir leid, Leute.« Er hustete ein paarmal, und dann noch ein paarmal. Und dann noch mal. Martin warf An einen entschuldigenden Blick zu, während er ein paar Tücher aus dem Kleenex-Spender auf seinem Schreibtisch zog und sie Daryl gab.
    »O Gott!«, krächzte Daryl. Er räusperte sich einige Male, spuckte in die Tücher und gab sie dann Martin zurück. »Danke, Mann.« Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund und fragte die Detectives: »Seid ihr wirklich wegen dem Blut an seinem Auto da?«
    Plötzlich war BelOdor nicht das Einzige, was die Atemluft aus dem Raum saugte.
    An fragte: »Was für Blut an welchem Auto?«
    Daryl nickte in Martins Richtung. »Heute Morgen. Er hatte auch Blut an den Händen. Ich dachte mir, er hat vielleicht ein Reh überfahren oder so, aber da waren Haare auf der Stoßstange - also, Haare wie von einem Kopf.« Er zuckte die Achseln. »Und dann hat Darla ihn draußen beim Müllcontainer gesehen, wie er seinen Aktenkoffer
zu Brei geschlagen hat.« Er schaute wieder Martin an. »Du solltest mit jemandem über deine Ausbrüche reden, Mann.« Und damit verließ er das Büro.
    Martin spürte, dass sein Mund sich bewegte, aber es kam kein Wort heraus.
    Benedict griff sich hinten unters Jackett und zog Handschellen heraus. »Martin Reed, ich verhafte Sie wegen Mordes an Sandra Burke.«
    »Sandy?«, fragte er und reckte den Hals, um die Treppe hochzuschauen, während Benedict ihn herumdrehte wie einen Sack Kartoffeln. War das der Grund, warum sie nicht heruntergekommen war, um über Let’s Dance zu reden? Martin war fassungslos. »Warum sollte ich Sandy etwas tun? Warum sollte ich irgendjemandem etwas tun?«
    »Mr. Reed«, sagte An. »Warum klären Sie die Sache nicht jetzt sofort auf und sagen uns, wo Sie gestern Abend waren?«
    Martin schluckte und wurde wieder rot. Das war furchtbar, einfach nur furchtbar. War nicht genau das in Grishams »Der Gefangene« passiert - dass irgendein armer Schlucker zur richtigen Zeit am falschen Ort war?
    »Mr. Reed?«
    Grisham war Anwalt. Er wusste, wie so etwas funktionierte. Im Kopf ging Martin die juristischen
Ratschläge in dessen vielen Büchern durch. »Der Klient.« »Die Begnadigung.« »Die Berufung.«
    »Ich glaube«, setzte Martin an, »ich habe das Recht zu schweigen.«

Wir erfahren, dass an An mehr ist, als man mit dem bloßen Auge sieht oder Stille Wasser sind tief, und An fischt gern im Trüben

    An beobachtete Martin durch den Spionspiegel. Er saß allein im Verhörzimmer, das teigige Gesicht angespannt vor Angst. Die Haarschüppel auf seinem Kopf erinnerten sie an Charlie Brown. Er ballte in regelmäßigen Abständen die Fäuste auf dem Tisch, als hätte Lucy ihn wieder einmal überredet, den Ball zu treten. So hatte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher