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Untot in Dallas

Untot in Dallas

Titel: Untot in Dallas
Autoren: Charlaine Harris
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die nun aufgeschlagen vor ihm lag, standen in unterschiedlicher Handschrift Eintragungen über Geburten und Sterbefälle in der Familie, die Tinte war stark verblaßt.
    „Die stammen von mir“, flüsterte mein Vampir, wobei er auf ein paar der Zeilen deutete.
    Mit einem dicken Kloß im Hals trat ich an seine Seite, um ihm über die Schulter zu sehen. Ich legte Bill die Hand auf die Schulter; so wollte ich ihn an das Hier und Jetzt binden.
    Ich konnte die einzelnen Handschriften kaum entziffern.
    William Thomas Compton, hatte seine Mutter geschrieben - oder vielleicht auch sein Vater. Geboren am 9. April 1840. Eine andere Hand hatte geschrieben: Gestorben am 25. November 1868.
    „Du hast einen Geburtstag“, sagte ich - ausgerechnet so ein dummer Spruch! Ich hätte einfach nie gedacht, daß Bill einen Geburtstag haben könnte.
    „Ich war der zweite Sohn meiner Eltern“, erklärte Bill. „Der einzige, der das Erwachsenenalter erreichte.“
    Ich erinnerte mich daran, daß Robert, Bills älterer Bruder, im Alter von zwölf Jahren gestorben war. Zwei weitere Kinder waren bereits als Säuglinge zu Tode gekommen. Auf der Seite, auf der Bills Finger ruhten, waren all diese Geburten und Tode notiert worden.
    „Sarah, meine Schwester, starb kinderlos.“ Auch daran erinnerte ich mich. „Der junge Mann, dem sie versprochen war, starb im Krieg. Alle jungen Männer starben im Krieg. Nur ich nicht. Ich überlebte, um später zu sterben. Das hier ist mein Todestag, soweit es meine Familie betrifft. Sarah hat das geschrieben.“
    Ich preßte die Lippen ganz fest zusammen, um nur ja keinen einzigen Laut von mir zu geben. Irgend etwas in der Art, wie Bill redete, wie er die alte Bibel berührte, war kaum zu ertragen. Ich spürte, wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllten.
    „Hier steht der Name meiner Frau“, meinte er nun, wobei seine Stimme immer leiser wurde.
    Ich beugte mich vor und las: Caroline Isabelle Holliday. Für eine Sekunde verrutsche das Zimmer um mich herum, bis mir klar wurde, daß das nicht sein konnte.
    „Wir hatten Kinder“, sagte er. „Wir hatten drei Kinder.“
    Auch ihre Namen standen da. Thomas Charles Compton, geb. 1859. Sie war also unmittelbar nach der Heirat schwanger geworden.
    Ich würde nie ein Kind von Bill bekommen können.
    Sarah Isabelle Compton, geb. 1861. Benannt nach ihrer Tante und ihrer Mutter. Sie war zur Welt gekommen, als Bill in den Krieg ziehen mußte. Lee Davis Compton, geb. 1866. Ein Baby, gleich nach seiner Heimkehr gezeugt. Gest. 1867, war in einer anderen Handschrift hinzugefügt worden.
    „Damals starben Säuglinge wie die Fliegen“, flüsterte Bill. „Wir waren so arm nach dem Krieg, und es gab keine Medikamente.“
    Ich fühlte mich wie ein kleines, heulendes Häufchen Elend und wäre am liebsten gegangen, um Bill meinen Anblick zu ersparen. Aber wenn er diese Erinnerungen ertragen konnte, dann mußte ich das auch können. Irgendwie schien mir nichts anderes übrig zu bleiben.
    „Die anderen beiden Kinder?“ wollte ich wissen.
    „Sie haben überlebt“, sagte er, und die Spannung in seiner Stimme ließ ein wenig nach. „Da war ich bereits fort. Tom war neun, als ich starb, und Sarah war sieben. Ein Blondschopf wie ihre Mutter.“ Bill lächelte leise, ein Lächeln, das ich noch nie auf seinem Gesicht gesehen hatte. Er sah fast menschlich aus. Es war, als sähe ich ein ganz anderes Wesen hier in meiner Küche sitzen, ganz und gar nicht mehr die Person, die ich noch vor einer knappen Stunde so ausgiebig geliebt hatte. Ich zog ein Kleenex aus der Schachtel auf der Arbeitsplatte und tupfte mir das Gesicht ab. Auch Bill weinte, und ich reichte ihm ebenfalls ein Kleenex. Erstaunt schaute er es sich an. Er schien etwas anderes erwartet zu haben - ein Baumwolltaschentuch vielleicht, mit einem aufgestickten Monogramm. Dann tupfte er sich die Wangen ab, woraufhin das Kleenex sich rosa verfärbte.
    „Ich habe kein einziges Mal nachgesehen, was aus ihnen geworden ist“, sagte er kopfschüttelnd. „Ich habe die Trennung endgültig vollzogen. Ich bin auch nicht wiedergekommen, solange noch die Chance bestand, daß einer von ihnen am Leben war. Das wäre zu grausam gewesen.“ Er las weiter, wobei sein Finger die Seite hinunterfuhr.
    „Mein Nachkomme Jessie Compton, von dem ich das Haus bekommen habe, war der letzte Nachkomme in direkter Linie“, erklärte er. „Auch von der Seite meiner Mutter her gab es keine direkten Verwandten mehr. Die Loudermilks, die hier
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