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Untot in Dallas

Untot in Dallas

Titel: Untot in Dallas
Autoren: Charlaine Harris
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dann, woraufhin ich die Augen öffnete. In den Händen hielt er einen großen, in Alufolie verpackten Teller; die Zeitung hatte er sich unter den Arm geklemmt.
    Ich rollte vom Bett, und ganz automatisch begaben wir uns beide in die Küche. Während ich hinter Bill hertappte, zog ich meinen rosa Bademantel an. Mein Liebster ging im Adamskostüm. Ich genoß den Anblick.
    „Ich habe eine Nachricht auf dem AB“, sagte ich, während ich die Kaffeemaschine anstellte. Damit war das Wichtigste erledigt, und ich pellte die Alufolie von dem Teller. Darunter kam ein hoher, gefüllter Kuchen mit Schokoladenguß zum Vorschein, reich mit Pekan-Nüssen bestückt und oben mit einem Sternenmuster verziert.
    „Der Schokokuchen der alten Mrs. Bellefleur!“ flüsterte ich ehrfürchtig.
    „Vom Anschauen weißt du, von wem der Kuchen ist?“
    „Natürlich! Dieser Kuchen ist berühmt. Eine Legende. Nichts ist so lecker wie Mrs. Bellefleurs Schokokuchen. Wenn sie den beim Backwettbewerb auf dem Gemeindefest einreicht, steht eigentlich schon fest, wer den ersten Preis einheimst. Sie bringt ihn vorbei, wenn jemand gestorben ist. Jason sagt, ein Todesfall in unserer Gemeinde lohnt sich schon allein deswegen, weil man dann ein Stück von Mrs. Bellefleurs Kuchen bekommt.“
    „Er riecht wunderbar!“ sagte Bill, was mich sehr erstaunte. Dann bückte er sich und schnupperte an dem Kuchen. Bill atmet ja nicht, weswegen ich noch nicht genau herausgefunden habe, wie er riechen kann, aber er kann es. „Wenn du das als Parfum trügest, würde ich dich auffressen.“
    „Das hast du bereits.“
    „Ich würde es glatt noch einmal tun.“
    „Ich glaube nicht, daß ich das aushalten könnte.“ Bei diesen Worten goß ich mir eine Tasse Kaffee ein. Dann starrte ich auf den Kuchen, und allerhand Fragen gingen mir durch den Kopf. „Ich wußte nicht einmal, daß sie weiß, wo ich wohne.“
    Bill drückte den Knopf meines AB. „Miß Stackhouse“, erklang da die Stimme einer sehr alten, sehr südstaatlichen Dame von Stand. „Ich habe geklopft, aber Sie waren wohl beschäftigt. Ich habe einen Schokoladenkuchen für Sie dagelassen, denn ich wußte nicht, wie ich Ihnen sonst für das, was Sie, wie Portia mir berichtete, für meinen Enkel Andrew getan haben, hätte danken sollen. Ein paar Leute waren in der Vergangenheit so nett, mir zu versichern, der Kuchen sei gut. Ich hoffe, er schmeckt Ihnen. Wenn ich Ihnen je zu Diensten sein kann, rufen Sie mich an.“
    „Sie hat keinen Namen genannt.“
    „Caroline Holliday Bellefleur erwartet, daß jeder sie an der Stimme erkennt.“
    „Wer?“
    Ich sah Bill an, der am Fenster lehnte, während ich am Tisch saß und aus einer der geblümten Tassen meiner Oma meinen Kaffee trank.
    „Caroline Holliday Bellefleur“, wiederholte ich.
    Bill konnte unmöglich blasser werden, als er ohnehin schon war, aber er war offensichtlich erschüttert. Mit einem Plumps ließ er sich auf den Stuhl fallen, der neben dem meinen stand. „Sookie? Tust du mir einen Gefallen?“
    „Klar doch, Schatz. Was soll ich tun?“
    „Geh rüber in mein Haus und hol mir aus dem Bücherschrank im Flur die Bibel.“
    Bill schien so erschüttert, daß ich keine weiteren Fragen stellte. Wortlos schnappte ich mir meinen Schlüsselbund und fuhr so, wie ich war, nur mit dem Bademantel bekleidet, hinüber zu seinem Haus. Ich hoffte sehr, daß ich unterwegs niemandem begegnen würde. Aber es wohnen nicht viele Menschen an unserer schmalen Landstraße, und niemand von denen war an diesem Tag um vier Uhr morgens schon unterwegs.
    Ich schloß die Tür auf, betrat Bills Haus und fand die Bibel da, wo er gesagt hatte. Vorsichtig nahm ich sie aus dem Bücherschrank, denn man konnte sehen, daß sie schon sehr alt war. Als ich das kostbare Stück die Stufen zur Eingangstür meines Hauses hinauftrug, war ich so nervös, daß ich fast gestolpert wäre. Bill saß noch genauso, wie ich ihn verlassen hatte. Als ich ihm die Bibel hinlegte, starrte er sie lange Zeit einfach nur an, und ich fragte mich schon, ob er überhaupt in der Lage sein würde, sie aufzuschlagen. Da er mich aber nicht um Hilfe bat, wartete ich einfach ab, was geschehen würde. Dann streckte er zögernd die Hand aus und seine weißen Finger strichen liebkosend über den abgegriffenen Ledereinband. Das Buch war groß und schwer, die in den Ledereinband gestanzten Buchstaben vergoldet und verschnörkelt.
    Sanft öffnete Bill das Buch und blätterte die erste Seite um. Auf der nächsten Seite,
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