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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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sich natürlich um ein anderes Gefängnis. Sie schaffte es ganz gut, durch das Tor zu gehen, sich anzumelden und im Warteraum zu sitzen. Erst als der Wachbeamte erschien, der sie zum Vernehmungszimmer bringen sollte, und sie die Gänge entlanggeführt wurde, als sie die Schlüssel rasseln hörte, wenn die Sicherungstore geöffnet wurden, und als sie das gräßliche Geräusch hörte, mit dem die Tore hinter ihr ins Schloß fielen – erst da wurden ihre Knie weich. Das Gebäude dünstete den Geruch von menschlichem Elend aus. Irgendwo schrie jemand, und der Klang hallte und dröhnte durch die Weiten aus Stein und Eisen. Und als sie sich an das Ende eines Tisches setzte, an dessen anderem Ende Harwell saß, als im kleinen Fenster an der Seite der vertraute Anblick der Kontur eines Beobachters sichtbar wurde, als mit Getöse die Tür hinter ihr zugeschlagen wurde und sie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte, da stiegen in ihr die bitteren Erinnerungen an die Vergangenheit mit Wucht auf. Sie taumelte fast unter dem Schlag. Aber die Erinnerung war es auch, mit der sie sich in dieser Situation wappnen konnte, denn es gelang ihr, sich in den Zustand der inneren Distanz zurückzuversetzen, der sie hier früher gegen die Anfechtungen ihrer Umgebung unempfindlich gemacht hatte: Nämlich das Augenmerk stur auf das zu richten, was in den nächsten Minuten geschehen würde, und sich wie ein verschrecktes Pferd zu sträuben, über den Tellerrand des unmittelbaren Hier und Jetzt hinauszublicken.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem mürrischen Mann zu, der ihr gegenübersaß und bisher noch kein Wort gesagt hatte. Seine löwenhafte Gestalt und sein goldbraunes Haar ließen sie an ein Tier im Zoo denken. Seine Augen waren glanzlos, er hatte den Ausdruck gelinden Erstaunens auf dem Gesicht.
    «Sie?» sagte er schließlich. «Was wollen Sie denn hier?»
    «Ich muß Ihnen etwas sagen», antwortete sie.
    «Weiß Ihr verdammter Ehemann, daß Sie hier sind?» fragte er.
    Daß er so einen rüden Ton anschlug, um sie zu beleidigen, ließ sie zusammenzucken. «Nein, das weiß er nicht», sagte sie.
    «Und was würde er wohl dazu sagen, wenn er es wüßte? Ich hätte jedenfalls nicht zugelassen, daß meine Frau sich mit Mördern trifft. Aber ich wäre natürlich auch nicht selbst auf Mörderjagd gegangen. Wie es scheint, leidet die ganze Familie an Geschmacksverirrung.»
    «Mr. Harwell, ich verstehe vielleicht besser, wie Sie sich fühlen, als Sie meinen», versuchte sie es.
    «Ach ja? Tatsächlich?» Er goß weiter seine Häme aus.
    «Aber Sie hatten es ja nicht wirklich getan, oder? Wie stellen Sie sich das denn vor, wie man sich fühlt, wenn man jemanden umgebracht hat?»
    «Es tut mir leid, das war anmaßend von mir. Ich kann es mir nicht vorstellen.»
    «Also, was wollen Sie hier? Sind Sie hergekommen, um einem Schuldigen Ihre Unbeflecktheit unter die Nase zu reiben?»
    «Ich wollte Ihnen etwas über Rosamund erzählen», sagte Harriet.
    «Ich hätte ihr sofort vergeben», erwiderte er, und seine Stimme hatte plötzlich den selbstsicheren Ton verloren.
    «Aber überrascht es Sie denn, daß ich wütend war? Ich habe ihr alles gegeben, alles, was sie für sich oder für andere wollte. Ich habe mich fast in den finanziellen Ruin gestürzt, damit das Stück ihres Schoßdichters aufgeführt wird. Dafür kann man doch wohl Dankbarkeit erwarten. Sie war es mir schuldig, sich nicht mit einem anderen Mann einzulassen. Haben Sie sich auch Liebhaber zugelegt, Lady Peter? Treffen Sie sich zu heimlichen Rendezvous? Oder kuschen Sie, weil Sie Wimsey Ihr Leben verdanken?»
    «Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, daß Sie sich irren, sie hatte kein heimliches Rendezvous.»
    «Und woher wollen Sie das wissen? Warum zum Teufel sollte ich Ihnen glauben?»
    «Ich wollte Ihnen sagen, daß es offenbar mein Vorschlag war, der Ihre Frau davon überzeugt hat, für ein paar Tage in den Bungalow zu fahren. Der Vorschlag kam von mir in aller Unschuld. Wir haben uns unterhalten, und ich habe gesagt, es würde ihr vielleicht Spaß machen und Ihnen eine Freude, wenn sie sich daranmachen würde, dort alles ein bißchen herzurichten. Wie Sie sich vorstellen können, habe ich es in der Zwischenzeit schon schwer bereut, einen solchen Vorschlag gemacht zu haben.»
    «Und das Abendessen bei Kerzenlicht gehörte auch zu Ihrem Einrichtungsvorschlag?» fragte er nach einer Weile.
    «Hier ist Rosamunds Einladung zu diesem Essen», erwiderte Harriet. «Es war nicht
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