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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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warten?»
    «Ja, wenn du weg mußt. Was ist passiert?»
    «Ein weiteres kleines diplomatisches Malheur. Ich hoffe, es dauert nicht so lange wie das letzte Mal, aber …» Sein Gesicht hatte wieder diesen erstarrten, abwesenden Ausdruck angenommen.
    «Peter, bevor du gehst, was ist eigentlich mit dem Brief von Rosamund Harwell geschehen?»
    «Nichts. Ich habe ihn in die Schublade mit der Aufschrift ‹in Arbeit› gesteckt. Warum fragst du?»
    «Hat irgend jemand Laurence Harwell davon erzählt?»
    «Ich ganz gewiß nicht», antwortete Peter. «Und ich bezweifle, daß Charles es getan hat. Angesichts der Tatsache, daß Harwell gestanden hat, wird er als Beweisstück nicht gebraucht, und alles in allem glaube ich, es wäre den Mädchen aus Hampton gegenüber barmherzig, ihnen den Zeugenstand zu ersparen.»
    «Aber er sollte es wissen. Er sollte wissen, daß sie ihn nicht mit einem anderen betrogen hat.»
    «Sollte er das? Würde er dann nicht seine Reue nur um so
    quälender empfinden, vorausgesetzt, er empfindet überhaupt welche? Dr. Johnson sagt irgendwo, die Erinnerung an ein Verbrechen, das umsonst begangen wurde, ist der furchtbarste Gedanke, den es gibt. Aber ich habe jetzt nicht die Zeit, mir Gedanken über Harwell zu machen, Harriet.»
    «Natürlich nicht», sagte sie. «Ab mit dir, und komm so schnell zurück, wie du kannst.»
    «Rund um die Erde zieh ich einen Gürtel.»
    Die Tür der Bibliothek schloß sich hinter ihm.
    Sie hörte Stimmen in der Halle. Und dann herrschte Stille im Haus, solange auch die Dienstboten nicht hörbar am Werk waren, und in ihr breitete sich ein Gefühl des Verlassenseins aus, je mehr das Bewußtsein von Peters Gegenwart dahinschwand.

    Harriet ging in der Bibliothek auf und ab. Sie zündete sich eine Balkan Sobranie an und drückte sie halb geraucht wieder aus. Ihr war ein einfacher und schrecklicher Gedanke gekommen. Er galt nicht Laurence Harwell, sie dachte an Rosamund. Was wäre ihr gegenüber fair? Kam hier die große Schwesternschaft der Frauen ins Spiel?
    «Sie war die Art Frau, mit der ich zu Lebzeiten nicht hätte befreundet sein können», ermahnte sich Harriet.
    «Und doch habe ich nun das Gefühl, ihrem Geist eine Freundin zu werden.»
    Harwell mußte den Brief sehen, da war sie sich sicher. Und zwar so bald wie möglich, er hatte ja nicht mehr viel Zeit. Aber wie? Sie rief ihren Schwager an.
    «Charles, angenommen, ich würde Laurence Harwell besuchen wollen, was müßte ich tun?»
    «Untersuchungsgefangene dürfen Besucher empfangen», gab er gut gelaunt Auskunft. «Du müßtest nur die Besuchszeiten herausfinden und könntest direkt hingehen. Er sitzt in den Wormwood Scrubs. Aber …» Er brach ab, als ihm schlagartig bewußt wurde, daß Harriet sehr wohl bekannt sein mußte, daß Untersuchungsgefangene Besucher empfangen durften und daß sie sich in eine äußerst unangenehme Situation begeben würde, wenn sie das ausführte, was er ihr gerade vorgeschlagen hatte. «Was sagt denn Peter dazu?»
    «Er ist schon wieder abberufen worden.»
    «So ein Pech», meinte Charles. «Es gefällt mir nicht, daß sie ihn so häufig brauchen. Ich habe das ungute Gefühl, daß sich da irgendwo etwas ganz Übles zusammenbraut. Man braucht heutzutage nicht allzuviel Phantasie, um sich so etwas vorzustellen. Kann es denn nicht warten, bis er wieder da ist?»
    «Es ist so ähnlich, wie wenn man Zahnschmerzen hat und sich nicht zum Zahnarzt traut», erklärte sie ihm.
    «Besser, man bringt es hinter sich.»
    «Naja, du wirst schon wissen, was du tust. Aber, Harriet, ich hoffe, falls du dich einmal einsam fühlst oder wenn du Kummer hast, also … Mary würde sich jederzeit freuen, dich zu sehen.»
    «Danke, Charles, ich werde daran denken.»
    Immer noch zögerte sie. Und dann wurde ihr bewußt: Wenn sie nicht den Mut aufbrachte, sich den Schatten der Gefängnismauern zu stellen, würde sie für immer damit leben müssen, daß sie gekniffen hatte. Daß nicht einmal Peters Liebe, ihre Freiheit und der Ring an ihrem Finger vermocht hatten, sie von der furchtbaren Erfahrung der Anklage wegen Mordes an Philip Boyes zu befreien, daß sie sie im Gegenteil versehrt hatten und unfähig gemacht, das zu tun, was sie tun sollte. Sie brachte die Telefonnummer in Erfahrung, die sie brauchte. Sie erfragte die Besuchszeiten. Sie zog ihren Mantel an. Als sie an Peters Schreibtisch ging – er war nicht abgeschlossen –, fand sie Rosamunds Brief und steckte ihn ein. Sie verließ das Haus. Es handelte
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