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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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leicht, sie ausfindig zu machen.» Sie legte den Brief zwischen sie beide auf den Tisch und zog ihre Hand schnell wieder zurück. Die zwei warfen einen Blick zu dem wachsamen Auge hinter dem Beobachtungsfenster. Dann nahm Harwell den Brief und las.
    «Rosamund hat eine unzuverlässige Person beauftragt, sie zu überbringen. Am späten Nachmittag ihres Todestags. Sie hätte Ihnen in den Club zugestellt werden sollen, ist aber auf Abwege geraten», erklärte ihm Harriet sanft. Er sah sie aus aschfahlem Gesicht an. «Ich fand, Sie sollten darüber Bescheid wissen. Hoffentlich macht es für Sie die Situation nicht noch schlimmer, als sie ohnehin schon sein muß.»
    Er murmelte düster: «Hätten meine Hände nicht um ihren Hals gelegen, hätte sie es mir sagen können.»
    Harriet stand auf, um zu gehen. «Wenn ich oder Lord Peter Ihnen in irgendeiner Weise helfen können …»
    «Sie können mir nicht helfen», erwiderte er. «Ich kann mir einen guten Anwalt leisten. Bleiben Sie, ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Niemand wird mich je wieder anhören. Verstehen Sie, ich fühlte mich so ganz und gar, so schrecklich betrogen, und ich dachte, ich hätte einen völligen Idioten aus mir gemacht, weil ich eine so unterwürfige Bewunderung für eine Frau mit lockerem Lebenswandel empfunden hatte … Die arme Rosamund! Wie entsetzlich für sie, sie muß gedacht haben, ich sei nach Hampton gekommen, weil ich ihre Nachricht erhalten hatte, und ich … ich …»
    «Ich muß den Brief leider wieder mitnehmen», meinte Harriet.
    «O ja, natürlich!» sagte er beflissen und stieß ihn über den Tisch zu ihr hin. «Aber … es gibt doch etwas, was Sie für mich tun können. Bitten Sie Lord Peter, dafür Sorge zu tragen, daß dieser Brief vor Gericht verwendet wird. Damit die gesamte Schuld auf den fällt, bei dem sie liegt. Damit ihr Name von jedem Vorwurf gereinigt wird. Mich soll das erwarten, was ich verdient habe, aber ihr Ruf soll unbescholten bleiben.»
    «Der Brief kann sicher so eingesetzt werden, wie Sie es wünschen.»
    «Man muß deutlich machen, daß es ein schreckliches Mißverständnis war und weder ihr Fehler noch meiner.»
    «Ich verabschiede mich jetzt, Mr. Harwell. Es tut mir sehr leid für Sie.»
    «In der Zeit, die ich noch habe, kann ich jetzt ohne Bitterkeit an sie denken», erwiderte er. «Und an sie zu denken ist alles, was mir noch bleibt.»
    Harriet nahm den Brief an sich und bedeutete dem Wärter, daß sie Harwell verlassen wollte. Hinter dem Schließer ging sie die endlosen Gänge entlang, mit einem verwirrten Erstaunen darüber, daß sie tatsächlich gehen durfte, daß man sie freiließ. Als sich draußen das letzte Tor hinter ihr geschlossen hatte, fing sie wie ein Kind zu laufen an und sog dabei in tiefen Zügen die kalte, frische Luft ein, die grau in dieser Londoner Straße lag, als ob sie fast ertrunken wäre und nun an die Ober fläche zurückgekommen war.

    «Aber das hättest du doch nicht machen müssen», war der Kommentar von Peter Wimsey. «Ich wäre für dich gegangen. Ich hätte mich auf dein Wort verlassen, wenn du mir gesagt hättest, daß ich damit das Richtige tue.»
    «Du hättest mich beschützt?» meinte Harriet.
    «Ich hätte dir erspart, daß diese Gefühle wieder hochkommen. Es muß schauderhaft für dich gewesen sein.»
    «Und genau deswegen mußte ich hingehen. Ich brauchte die Gewißheit, daß ich nicht immer noch meine Wunden lecke und einfach das erledigen kann, was getan werden muß, wie alle anderen auch.»
    «Alle anderen hätten wahrscheinlich Harwell seinem Schicksal überlassen.»
    «Es muß schon schwer genug für ihn sein, mit der Wahrheit über sich selbst und über das, was er getan hat, zu leben. Ihn aber auch noch mit einer Unwahrheit den Qualen der Verdammten zu überlassen, mit der irrigen Annahme, daß Rosamund ihn betrogen hat …»
    «Hoffentlich hat er es dir gedankt, Harriet. Ich möchte stark bezweifeln, daß er auch nur die geringste Vorstellung davon hat, wie schwer dir dieser Weg gefallen sein muß und welche Erinnerungen das Ganze in dir wachrief.»
    «Er war sehr froh, daß er sie unschuldig in Erinnerung behalten und so die ganze Schuld auf sich allein nehmen kann. Und was mich angeht, mein Lieber, ich laufe vor den Erinnerungen nicht mehr weg. Ein Gefängnis zu betreten hat mich schon einige Schmerzen gekostet, das streite ich nicht ab. Die Qualen der Vergangenheit waren schrecklich, aber sie haben mich zu dir gebracht. Schau mich doch an, wie ich
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