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Unterwirf dich

Unterwirf dich

Titel: Unterwirf dich
Autoren: Molly Weatherfield
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hatten sehr hohe, gerade Absätze, Riemchen an den Knöcheln und eine etwa ein Zentimeter hohe Plateausohle. Der Bassrhythmus aus dem Discman änderte sich leicht, als ich aufstand – ein neues Stück mit Reggae-Anklang –, und ich schwankte ein wenig im Takt. Meine Hände waren immer noch auf dem Rücken gefesselt.
    Sie ließen mich schwanken, bis ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Dann lösten sie die Kette vom Kragen, um mir das Kleid anziehen zu können. Es war eigentlich ein Zweiteiler. Das Oberteil war mattschwarz, ein Fischbeinkorsett mit Schalen für meine Brüste, aber hinten geschnürt, damit man es fester ziehen konnte. Der Rock bestand aus zahlreichen Schichten von weißem Tüll oder Organdy, einem dieser altmodischen durchsichtigen Stoffe, aus denen Abschlussballkleider bestehen – die guten, die man in teuren Secondhand-Läden bekommt. Der Saum war ungleichmäßig, an manchen Stellen reichte er mir bis übers Knie, an anderen Stellen darunter. Und über dem Organdy lag eine Schicht, die sich anfühlte wie dünnes, transparentes Vinyl – oder eigentlich eher Zellophan: steif, changierend, unnatürlich.
    Der Rock raschelte, als die Assistentin ihn mir über den Kopf zog. Die Schneiderin zupfte da und dort, damit Kragen und Handschellen zur Geltung kamen – so wie manche schwarzen Samt-Abendkleider einen Hintergrund für teuren Diamantschmuck bilden. Ich schluckte, entschlossen, meine Fesseln stolz zu tragen. Und dann schnaubte ich und fragte mich, woher denn dieser anmaßende Gedanke plötzlich kam.
    Doch ich unterdrückte das Schnauben rasch, als ich Stefans Schritte hörte. Auf den Boden jetzt. Er zeigte mit der Zehenspitze auf die Stelle, richtete eine Leselampe darauf und dimmte ein paar der anderen Lampen im Raum. Und vielleicht weil er mir gesagt hatte, ich müsse eine Viertelstunde warten, erschien es mir wie eine Ewigkeit, bis er Mr. Constant ins Zimmer führte. Das Unbehagen, das in der Luft lag, überraschte mich; zum ersten Mal an diesem Nachmittag fragte ich mich, was Stefan wohl bei alldem empfand. Ich spürte, wie erleichtert er war, als Mr. Constant ihn für das Kleid lobte und anerkennend leise lachte, als er die Striemen auf meinem Hinterteil sah. Steh auf, dreh dich langsam, befahl Stefan mir. Lass ihren Rock herunter und hol ihren Umhang, sagte Mr. Constant zu ihm. Dann führte er mich rasch und stumm zum Aufzug und aus dem Hotel hinaus, über belebte, hell erleuchtete Straßen zu einem Restaurant. Showtime.
    Ich folgte dem Maître d’. Der große Ring an meinem Kragen schimmerte im Licht der Kerzen auf den Tischen. Mr. Constant ging dicht hinter mir wie ein Impresario, meinen Umhang über dem Arm. Ich hörte Stimmengemurmel. Ich errötete, hielt aber den Kopf hoch, höher noch, als der Kragen mich zwang. Meine Nippel wurden steif, meine Möse wurde nass, mein ganzer Körper öffnete sich unter den Blicken, mit denen ich bedacht wurde.
    Ein Bild kam mir in den Sinn. Wahrscheinlich fiel es mir ein, weil wir am nächsten Tag nach Griechenland fliegen würden, aber es stammte aus einer alten Fantasie, die ich während der Highschool immer wieder nachts im Bett nachgespielt hatte. Ich war nackt, mit einem ähnlichen Halsband wie jetzt angekettet und wurde von der Kette hinter einem Wagen hergezogen. Kriegsbeute, eine Sklavin aus Troja, die barfuß von einem Krieger auf sein Schiff verfrachtet wurde. Er hatte auch einen Wagen voller Keramik und Webteppiche erbeutet, dazu einige Schafe und Ziegen. Die Könige der kleinen griechischen Inseln hatten sich heftig darüber gestritten, wie sie die Beute, vor allem die Töpferwaren, aufteilen wollten. Und jetzt lag das Schiff sicher im Hafen, und wir marschierten in einem Siegeszug durch die Tore seiner Stadt. Die Menschenmenge am Straßenrand kam mir riesig vor, und ich versuchte nicht hinzusehen, aber ich hörte und spürte sie – betrunken, lachend, johlend. Auch an jenem Abend im Restaurant glaubte ich sie zu hören, obwohl es in Wirklichkeit nur das Klappern des Bestecks, der Teller und des Kristalls war. Höchstens vielleicht ab und zu ein leises Keuchen.
    Entspannt euch, Leute, dachte ich. Wenn ich damit umgehen kann, könnt ihr es auch. Aber für mich ist es wahrscheinlich leichter. Ich muss mich darauf konzentrieren, in diesen Schuhen zu laufen und in diesem Kleid zu atmen, während ihr an euren Tischen sitzt und fühlt … ja, was fühlt ihr eigentlich? Verschämte Neugier, Selbstschutz, Verachtung, heftiges Verlangen?
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