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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte
Autoren: Hans-Christian Huf
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Trittspuren von Laetoli sind ein einzigartiger direkter Beweis für das aufrechte Gehen in einer noch relativ frühen Epoche der menschlichen Evolution. Das Projekt Mensch war also – wortwörtlich – in Gang gekommen.
    Dreieinhalb Millionen Jahre zuvor und rund drei Milliarden Jahre nach Entstehung des Lebens auf der Erde hatte die Natur mit diesem Experiment begonnen – ihrem größten und folgenreichsten. Das geeignete geologische Laboratorium dafür war soeben fertig geworden: der 6000 Kilometer lange Afrikanische Grabenbruch, das tektonisch labile »Great Rift Valley«, das in Nord-Süd-Richtung vom heutigen Syrien über Äthiopien und Tansania bis nach Mosambik reicht.
    Die überdimensionale Furche, flankiert von feurigen Vulkanbergen, Nahtstelle nahrungsreicher Urwälder auf der einen, offener Savannen auf der anderen Seite, ist das Ergebnis auseinanderdriftender Kontinentalplatten. Die Erdkruste bricht auf, der Dschungel bekommt Lücken und Lichtungen, die Voraussetzungen zum Überleben verändern sich.
    So entstehen – vor sieben Millionen Jahren – die idealen Kulissen und die perfekte Probebühne für den aufrechten Gang, mit dem später die Pioniere der Gattung Homo den Traditionsbruch zu ihren kletterfixierten Urahnen einleiten werden, um schließlich auf zwei Beinen von Ostafrika aus die Welt zu erobern. Wir werden, wenn es so weit ist, ihren Routen folgen.
    Das menschliche Skelett setzt sich aus mehr als 200 Knochen zusammen. Verschwindend klein mutet dagegen das Knochenarsenal der Paläontologen an. Aus höchstens 3000 über den Globus verstreuten Funden versuchen sie die verschiedenen Akte und Akteure des Dramas der menschlichen Evolution zu rekonstruieren. Der Boden ihrer Forschungen hat sich dabei immer wieder als genauso schwankend erwiesen wie der afrikanische Graben selbst.
    Doch auch hier gab es Lichtungen, Lichtblicke. Vor allem dann, wenn die Forscher dem folgten, was der reinen Lehre nach eindeutig dem genetisch gesteuerten Verhaltensprogramm unserer tierischen Vorfahren, nicht aber dem vernunftbegabten Handeln des Homo sapiens zuzuordnen ist: ihrem Instinkt.
    So ließ sich der genialische Dickschädel Louis Leakey, der als Kind britischer Missionare in Kenia aufgewachsen war und dann in Cambridge Anthropologie studiert hatte, auch durch die geballte Missachtung der schädelforschenden Zunft nicht davon abbringen, die Anfänge der Menschheitsgeschichte auf einem zerklüfteten Flecken Erde im Norden Tansanias zu suchen. Seit Anfang der 1930er-Jahre bargen Louis und Mary Leakey an den Steilhängen der Olduvai-Schlucht westlich des Ngorongoro-Kraters Fossil um Fossil.
    Nicht immer waren die Funde das, für das die Leakeys sie hielten, aber stets erwiesen sie sich als signifikante Elementarteilchen im großen Puzzle der Evolution. Und, in der Summe, als unwiderlegbares Votum für Afrika als Wiege der Menschheit, als Kontinent des Ursprungs. Das asiatische Modell, das manche Forscher über Jahrzehnte favorisiert hatten, war damit passé.
    Das öffentliche Interesse an solch mühsamer anthropologischer Detektivarbeit hielt sich freilich sehr in Grenzen. Während das Katastrophenszenario, das zur Auslöschung der Dinosaurier führte, künstlerische Fantasien jeglicher Spielart beflügelt und nicht nur in den Kinos, sondern selbst in den Museen zu Besucherrekorden geführt hat, ließen die frühen Spuren der Menschheitsgeschichte das Publikum lange Zeit merkwürdig kalt.
    Jenseits verständlicher Begeisterung für das unabweisbar Spektakuläre dieses Untergangs der Giganten, die über Jahrmillionen die Erde beherrscht hatten, mag ein feines Gefühl der Trauer und der Anteilnahme dabei mitgespielt haben. Trauer darüber, wie vergänglich auch das Große und scheinbar Unzerstörbare ist, vermischt mit der Ahnung, dass auch dem Homo sapiens eine Entwicklung bevorsteht, die auf Abschied und Endlichkeit weist.
    Vielleicht waren die eigenen Knochen aber auch einfach nur zu mickrig und zu uninteressant.
    Auf jeden Fall hat eine einzige Filmszene aus dem Jahr 1968 das alles geändert.
    Sie stammt aus Stanley Kubricks Meisterwerk »2001 – Odyssee im Weltraum«: Der Anführer einer Affenhorde – im Drehbuch heißt er Moonwatcher, im Film bleibt er unbenannt – schleudert einen großen ausgebleichten Knochen in die Luft, den er soeben als Waffe benutzt hat.
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