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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte
Autoren: Hans-Christian Huf
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Die Kamera verfolgt seinen Flug bis zum Umkehrpunkt und darüber hinaus. Dann verwandelt sich das primitive Werkzeug in einen technologisch fortgeschrittenen Erdsatelliten.
    Die grandiose Ur- und Urzeitszene wurde zu einer der meistzitierten Bildmetaphern, einem der berühmtesten Match Cuts der Filmgeschichte. Und sie sorgte für ein neu erwachendes Interesse des Menschen am Menschen.
    Davon profitierte vor allem Lucy – verdienterweise, denn sie war und blieb das am besten erhaltene Skelett einer Vormenschenart, das bislang gefunden wurde. Ein amerikanisches Forscherteam um Donald C. Johanson entdeckte die Knochenreste 1974 in der Nähe des Awash-Flusses in Äthiopien und konnte sein Glück kaum fassen: Sie konnten einem einzigen Individuum zugeordnet werden, das mit 23 Prozent Skelettsubstanz eine ungewöhnlich breite Untersuchungsbasis bot.
    Der Sensationsfund wurde unter dem Kürzel »A. L. 288« registriert und entpuppte sich als Australopithecus afarensis . Besser und weltweit bekannt aber wurde er als Lucy – eine Reverenz vor dem Beatles-Song »Lucy in the Sky with Diamonds«, den die nimmermüden Anthropologen in den Tagen vor und nach dem Glückstreffer häufig im Radio gehört hatten.
    Die sogenannten Australopithecinen (aus lat. australis = südlich und griech. pithekós = Affe), die sich mit der schönen deutschen Übersetzung »Südaffen« schmücken dürfen, gehören zu den frühesten bekannten Vorfahren des Menschen. Vor vier Millionen Jahren hatten sich in den Landschaften Ostafrikas viele unterschiedliche Arten davon herausgebildet, die eines gemeinsam hatten: Sie gingen aufrecht, auf zwei Beinen, wie die Wanderer in der Vulkanasche von Laetoli oder wie Lucy aus der Region Afar in Äthiopien.
    Aber hinter der Namensgebung für die mindestens 3,2 Millionen Jahre alte Vormenschendame steckt mehr als eine Laune. Dahinter verbirgt sich der Wunschtraum, den schon die Leakeys und vor und nach ihnen viele andere Anthropologen und Archäologen träumten: Aus den verstreuten Knochen, den Fußspuren oder Artefakten möge ein Mensch, ein Schicksal, ein Leben hervorblicken.
    Dieser Wunsch blieb letztlich unerfüllt. Es gab jedoch, wenn Sie so wollen, eine Art »Ersatzmann«, dem die Sympathien der zuständigen Wissenschaften geradezu in den Schoß fielen und der von einer fürsorglichen Öffentlichkeit gleichsam adoptiert wurde. Allerdings trat er erst viel später in Erscheinung: gut drei Millionen Jahre später, wenn man seine Lebenszeit, und gut anderthalb Jahrzehnte später, wenn man das Entdeckungsdatum betrachtet. Machen wir also einen Exkurs, einen Zeitsprung, und schauen ihn uns an.
    Sie ahnen es – es ist der Ötzi. Erst jene Gletschermumie aus dem Neolithikum, der späten Jungsteinzeit, die Urlauber am 19. September 1991 in Südtirol im Bereich der Similaungruppe der Ötztaler Alpen in 3210 Metern Höhe fanden, bot einen Ausgleich für so manche Enttäuschung der prähistorischen Knochensammler. Indem sie – sehr spät, sozusagen in der Nachspielzeit – ihrer Hoffnung entsprach, die Evolution möge ein Gesicht, wenigstens einer unserer frühen Vorfahren möge eine konkrete Biografie haben.
    Verschleißerscheinungen am Gebiss, an den Gelenken, an der Wirbelsäule, gebrochene und wieder verheilte Rippen, ausgeprägte Wachstumsstörungen, mehrere bedrohliche Erkrankungen, die dem Tod vorausgingen, darunter möglicherweise ein Magengeschwür, Brot und Fleisch als letzte Mahlzeit – durchgecheckt wie ein verunglückter Bergsteiger des 20. Jahrhunderts, wurde der »Similaunmann« einer von uns.
    Und die Steinzeit, die späte Jungsteinzeit, die schon zur Kupferzeit geworden war, verlor ein Stück ihrer kalten, unnahbaren Anonymität.
    Den Radiokarbondatierungen folgend, kam der Ötzi um 3300 v. Chr. bei der Überquerung der Alpen ums Leben. Vermutlich hatte er braune (nicht, wie bisher angenommen, blaue) Augen, war 1,60 Meter groß oder vielmehr klein, fünfzig Kilogramm schwer und würde nach heutigen Maßstäben wahrscheinlich Schuhgröße 35 tragen. Er bleibt eine archäologische Sensation, weil er der einzige vollständig erhaltene, auf natürliche Weise konservierte und nicht bestattete Mensch aus vorgeschichtlicher Zeit ist. Und weil außerdem zahlreiche Gebrauchsgegenstände – darunter ein Kupferbeil –
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