Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
sagt die Frau. „Die Sauna war aufgedreht. Ich weiß nicht, wie lange. Da ist sonst keiner. Sie liegt drinnen.“
    „Sie?“
    „Schwester Cordula.“
    Schritt für Schritt gehe ich durch den Eingangsbereich, betrete einen ovalen Raum mit blauen Fliesen, einem Tauchbecken ohne Wasser, einer kleinen Bar, die wirkt, als wäre sie schon sehr lange nicht mehr in Betrieb. Die heiße Luft kommt von der halb geöffneten Saunatür her. Ein Holzbrett am Boden. Ich steige darüber und sehe in die Saunakabine. Im Dämmerlicht eine nackte Frau. Sie liegt auf dem Boden, das Gesicht Richtung Tür. Ihre Haut hat einen ungesunden rosaweißen Ton. Oder ist das bloß, weil Nonnen dauernd lange Gewänder tragen und nicht in die Sonne gehen? Woher weiß ich das? Wer sagt, dass das wirklich eine Nonne ist? Sie sieht nicht danach aus. Zu jung. Ich merke, dass die deutlich ältere Nonne hinter mir steht.
    „Wie alt war Schwester Cordula?“, frage ich, ohne den Blick von der nackten Frau zu wenden.
    „Achtunddreißig.“
    Irgendetwas tropft von meiner Stirn auf den Boden. Ich merke, dass ich klatschnass bin, versuche mir den Schweiß aus der Stirn zu wischen.
    „Sie war die Jüngste“, flüstert ihre Mitschwester. „Was hat sie da gemacht? Der Trakt ist stillgelegt.“
    „Und warum ..."
    Die alte Nonne schüttelt den Kopf. „Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung.“
    Der Schweiß tropft, es ist, als würde mir das Hirn ausrinnen. Ich stehe nur da, unfähig, etwas zu tun. Wach auf, Mira. Mit dem Schweiß geht auch der Alkohol aus dem Kopf. Denk nach. Sofort. Mit einer raschen Bewegung schalte ich die Saunaheizung aus. Dann drehe ich mich zur Nonne um: „Und warum haben Sie dann hier nach Schwester Cordula gesucht?“
    Sie schüttelt den Kopf. „Nicht hier, ich habe überall nach ihr gesucht. Sie war seit drei Tagen verschwunden. Wir haben gedacht, sie ist weggegangen, sie war nicht mehr sehr zufrieden mit dem Leben hier. Aber sie hatte gar nichts mitgenommen. Wir sind zur Armut verpflichtet. Und doch gibt es Dinge, die man mitnimmt, wenn man geht. Und sie hätte sich auch verabschiedet. Hoffe ich.“
    „Seit drei Tagen? Das heißt, sie ist vielleicht seit drei Tagen ...“
    Die alte Nonne nickt. Dann wird ihr Blick wachsam: „Und was machen Sie eigentlich hier?“
    „Ich habe mich verirrt“, erwidere ich und bin ganz sicher, dass das stimmt.
    Es ist die Nonne, die die Polizei verständigt. Zu meinem großen Erstaunen hat sie aus der Tasche ihres Kleides ein Mobiltelefon gezogen. „Schwester Gabriela von den Hildegard-Schwestern“, sagt sie und beschreibt dann sehr klar und knapp, wo wir sind und was wir sehen. Auf meine Frage, ob wir nicht auch ihren Chef verständigen sollten, meint sie bloß: „Der ist zu weit fort und weiß es ohnehin.“ Schwester Gabriela hat sich im Vorraum auf einen niedrigen Schemel gesetzt, es wirkt fast, als würde sie knien. Sie hat die Hände gefaltet und murmelt Gebete. Gar keine üble Art, sich nicht von mir ausfragen lassen zu müssen. Ich habe mich auf eine der beiden spinnwebenüberzogenen Saunaliegen gesetzt. Hier war wohl tatsächlich schon länger keiner. — Warum dann Cordula, die jüngste der Hildegard-Schwestern? Aber ich traue mich nicht, die betende Nonne anzusprechen.
    Die Hitze lässt nur ganz langsam nach. Ich bin immer noch klatschnass. Ich höre den Lift und fahre aus einer Art Dämmerzustand auf. Ich hätte den Tatort inspizieren sollen. Vor Kurzem habe ich einen deutschen Profiler interviewt, der ein hoch spannendes Buch geschrieben hat. Der Tatort erzählt eine Menge. Ich sehe mich rasch um. Alles wirkt wie seit Monaten unberührt. Kein Glas auf der Theke. Kein Handtuch. Staub. Und doch hat jemand die Sauna eingeschaltet und die Nonne darin eingesperrt. Die Tür offenbar mit einem Brett zugenagelt. Rasche Schritte und dann sind sie da. Der Chefinspektor vom Bezirkskommando Feldbach heißt Knobloch und ich will ihn schon fragen, ob ein eigenartiger Nachname Berufsvoraussetzung für den gehobenen Polizeidienst sei und ob er Zuckerbrot, den Leiter der Wiener Mordkommission 1, kenne, aber dann kommt Professor Grünwald und starrt uns beide an.
    „Was machen Sie hier?“, sagt er scharf zu mir.
    „Sie ist mir begegnet, als ich in höchster Not war“, antwortet die Nonne und sieht ihn nicht eben demütig an.
    „Die Fragen stelle ich“, sagt Chefinspektor Knobloch.
    Ein Trupp der Spurensicherung kommt näher. „Verdammt, ist es hier heiß“, murmelt eine kräftige Frau
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher