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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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Botox“, erwidere ich.
    Die beiden und auch der Vertreter schütteln den Kopf. „Botox nimmt man, um Mimikfalten ruhigzustellen“, erklärt Dame eins.
    Ich finde, ich habe genug gelernt für heute. Außerdem möchte ich, wenn irgendwie möglich, Professor Grünwald in den nächsten Stunden aus dem Weg gehen. Morgen sieht alles wieder anders aus. Da kommt meine Fotografin. Fotografiert zu werden gefällt ihm, da bin ich mir sicher. Ich werde mit einer der Nonnen reden und wenn möglich mit dem Vertreter und einer der beiden reiferen Damen und vielleicht noch mit der jungen Frau mit der „urschönen“ Nase. Eigentlich sollte ich gleich heute mit ihnen einen Termin vereinbaren, wo ich sie alle hier versammelt habe. Aber ich will nicht mehr. Mir ist ein wenig schwindlig. Flat mir Grünwald tatsächlich gedroht oder hat sich das in dieser seltsamen Umgebung für mich bloß so angehört?
    Ich habe mich freundlich verabschiedet, abgesehen vom Steuerberater scheinen alle am Tisch ganz froh über meine Einlage gewesen zu sein, hat etwas Leben in den Jungbrunnen gebracht. Ich stehe in der Lobby vor dem Festsaal und überlege: Die Rezeption liegt einen Stock höher oder sind es zwei? Um zum Lift zu kommen, muss ich durch die Halle, dann an ein paar Behandlungsräumen vorbei. Direkt unter uns ist das Hallenbad. — War da nicht auch ein Lift? Der müsste dann gleich hier irgendwo sein, vielleicht im Gang links. Der Steuerberater kommt aus dem Saal und sieht mich sinnend da stehen. Ich werfe ihm ein Lächeln zu, gebe mir einen Ruck, gehe zielstrebig los und tue so, als wüsste ich, wohin. Ich fühle mich weich in den Knien, machen das die dicken Teppiche? — Gewonnen! Da ist wirklich ein Lift! Dein Orientierungssinn ist gar nicht so übel, Mira!
    Auch in diesem Lift ist kein Spiegel, hier gibt es auch keine Klimt-Bilder, er ist einfach mit edlem Holz verkleidet. Zwei Stockwerke zur Rezeption. Alles geht hier irgendwie bergauf oder bergab, hat wohl damit zu tun, dass das Hotel als Terrassenanlage in den Hang hineingebaut ist. War vermutlich auch ein Vulkan, dieser Hügel, vor Urzeiten. Wie eruptiv ist Grünwald? Ich schwebe nach unten und steige aus. Irgendwas ist da falsch. Kein Marmor. Keine Teppiche. Liebe Güte, ich hätte nach oben und nicht nach unten fahren müssen. Bin ich bei den Personalzimmern? Wäre spannend, mit einigen Mitarbeitern von Grünwald zu sprechen. Nicht jetzt. Es ist nach Mitternacht. Nimm den Lift und fahr nach oben. Das Licht ist schummriger als im Gästetrakt. Ich tapse langsam den Gang entlang, Zimmertüren in Eiche, keine Beschriftung. Dann eine schwere Brandschutztür. Ob sie sich öffnen lässt? Was ist dahinter? Ich drücke dagegen. Ich sollte umdrehen. Oh nein, heut Nacht will Mira wissen, was in den Eingeweiden der Klinik von Professor Grünwald los ist. Ich drücke noch einmal an, fester, mit einem Ächzen geht die Tür auf. Weitere Eichentüren, dasselbe schummrige Licht. Ich tappe vorwärts. Eine Doppeltür mit Milchglas und der Aufschrift: „Wellnessbereich“. Seltsam, den Wellnessbereich habe ich doch schon gesehen. Er ist einen Stock höher und beim Swimmingpool. Oder waren es zwei Stockwerke? Du solltest nicht so viel Wein trinken, Mira. Ob Grünwald hier einen eigenen Verwöhnbereich für seine Angestellten hat? Nobel, nobel. — Da war ein Schatten. Und ein Lichtschimmer. Grünwald. Was, wenn er mir hier auflauert? Nur weil ich wissen wollte, wie oft er selbst operiert wurde? Er hat mir gedroht. Unsinn. Wenn er jede kritische Journalistin überfallen würde ... Ich denke an die Frau mit der verätzten Haut und atme schneller. Idiotisch. Da ist jemand nach der Spätschicht noch in der Sauna. Bei der Außentemperatur? Wir haben heute dreißig Grad gehabt. Macht keinen guten Eindruck, wenn man mich hier findet. Wirkt, als ob ich herumspionieren würde. Dabei ist es bloß mein schlechter Orientierungssinn ... Die Tür wird so abrupt aufgestoßen, dass mir der eine Flügel gegen die Schulter knallt. Eine alte Frau in einem blauen, langen Kleid sieht mich entgeistert an.
    „Ich hab sie gefunden“, keucht sie. „Ich weiß nicht, was ...“
    Erst jetzt begreife ich, dass es sich bei der Frau um eine der Nonnen handelt. Ihre Kopfbedeckung ist in den Nacken gerutscht.
    „Ich muss die Polizei verständigen.“
    Die Luft um mich wird seltsam heiß. Ich sehe durch die offene Tür. Fliesen, Spiegel, Umkleidekabinen. Vielleicht hatte die Nonne eine Vision.
    „Gehen Sie nicht hinein“,
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