Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit durfte? Kann es sein, dass ich Schwester Gabriela in Wirklichkeit beim Abtransport der Leiche gestört habe? Sie wirkt sehr kontrolliert. Sie ist deutlich über siebzig. Kann man in so einem Alter nicht mehr morden? Als wir in der Tür zusammengestoßen sind, hat sie gar nicht gefasst ausgesehen. Ich tappe ins Bad, stelle mich unter die Dusche. Sie ist noch nass von heute Nacht. Diese idiotischen Regenschauerduschen! Mildes Getröpfel von oben. Was ich bräuchte, ist ein scharfer Duschstrahl. Aber vielleicht ginge dann bei manchen der Gäste die neue Haut ab. Das Handtuch ist auch noch feucht. Darum geht es jetzt nicht, Mira. Ich werde auf das Frühstück verzichten, Hunger habe ich ohnehin keinen. Ich werde zum Kloster hinüberwandern. Und ich werde die Nummer des Gerichtsmediziners in Erfahrung bringen. Wir könnten über niedertemperaturgegarte Gerichte plaudern, die sind momentan ja en vogue. Er scheint mich zu mögen. — Aber ob er mir auch etwas erzählt?
    Meine Kleidung von gestern kann ich vergessen. Es ist, als wäre ich damit in den Pool gesprungen. Ich schlüpfe in Jeans und T-Shirt. Beide sind zu warm. Es ist Mitte August und es soll wieder dreißig Grad kriegen. An sich eine Temperatur, die ich liebe. Aber momentan ... Wie muss es sich anfühlen, bei neunzig Grad in der Sauna eingesperrt zu sein? Ich muss herausfinden, wer in diesem stillgelegten Trakt noch unterwegs ist. Was hinter den anderen Türen ist. Sind es lauter unbenutzte Seminarräume? Ich greife nach meiner Tasche, selbst sie ist feucht, schnappe die Keycard und drücke energisch auf die Zimmertürschnalle. Die Tür geht nicht auf. Ich muss irgendein Sicherheitsschloss aktiviert haben. Ich schiebe die Keycard zurück in den Energiesteckplatz, nehme sie wieder heraus. Nichts. Die Tür bleibt zu. Meine Güte, war das bequem, als es noch Zimmerschlüssel gab. Offenbar spinnt die dumme Keycard. Ich rufe einigermaßen erbost an der Rezeption an. Ich hatte vorgehabt, mich möglichst unbemerkt aus dieser eigenartigen Oase zu schleichen.
    Wenige Minuten später klopft es an meiner Tür. „Kann ich reinkommen?“
    „Ich kann die Tür nicht öffnen“, fauche ich. Deswegen habe ich ja angerufen.
    „Sehr eigenartig“, höre ich eine Frauenstimme sagen. „Das ist noch nie passiert. Ich schiebe die Ersatzkarte ein.“
    Ich höre ein Schaben, dann ein Rütteln, wieder ein Schaben.
    „Es geht nicht, ich bringe die Karte gar nicht rein“, sagt die Stimme.
    „Dann hat wohl jemand was in den Schlitz gesteckt“, mutmaße ich und denke gleichzeitig: Da wollte jemand verhindern, dass ich aus dem Zimmer kann. — Wer? Und wenn ich weiß, wer, kenne ich dann auch den Mörder?
    Die Frau wirft sich gegen die Tür, rüttelt. Dann Pause. „Moment. Ich bin gleich wieder da“, höre ich.
    Es könnte Grünwald gewesen sein, der mich nicht rauslassen wollte. Damit es keine Story im ,Magazin‘ gibt, die seinem Geschäft schaden könnte. Aber telefonieren kann ich auch vom Zimmer aus. Und meinen Laptop samt Modem hab ich ebenfalls dabei. Vielleicht wollte er etwas beiseiteschaffen, bevor ich es sehen könnte? Was?
    Plötzlich geht die Tür auf. Vor mir steht eine Rezeptionistin, die ich noch nicht kenne, sie ist außer Atem. „Ich hab eine Büroklammer geholt und das damit herausgeholt.“ Sie hält mir ein dünnes metallenes Blättchen hin. „Das ist in Ihrem Türschloss gesteckt. Ich kapier nicht, dass unsere Gäste so etwas anstellen ... Tut mir leid.“
    Ich glaube nicht, dass mir da irgendein Gast einen dummen Streich gespielt hat, aber das behalte ich besser für mich. Stattdessen bitte ich um das Blättchen und bekomme es. Ein eigenartiges Ding. Vielleicht zwei Zentimeter breit und drei Zentimeter lang, dünn, biegbar, aus Metall. Ich gehe zurück in mein Zimmer. Vielleicht weiß Vesna, was das sein könnte. Es wird sowieso Zeit, dass ich ihr von dem Mord erzähle. Wer wollte verhindern, dass ich das Zimmer verlasse?
    „Haut und Fleisch muss ganz weich gewesen sein, kann mir vorstellen, es ist schwierig, da noch Spuren finden. Nach drei Tagen, was meinst du? Da sind auch Innereien und Blut durchgekocht, oder?“, meint meine Freundin wenig später interessiert.
    Ich glaube, ich werde auch auf das Mittagessen verzichten. „Gar gezogen wäre korrekter. Zumindest beim Rind beginnt sich das Muskeleiweiß bei ungefähr 73 Grad umzusetzen.“
    „Woher du weißt das?“, will Vesna wissen.
    „Natürlich vom Kochen. Wenn ein Steak rosa
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher