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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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ich. Ist ja auch wahr.
    „Ich muss hinüber. Und dann nach Feldbach, auf die Polizei. Sie wollen mich noch einiges fragen.“
    „Ich fahre Sie hin.“
    „Das könnte man wohl merkwürdig finden. Ich nehme mein Auto.“
    Nur für einen Moment wundere ich mich, dass die alte Nonne Auto fährt. Warum denn nicht? Ich kenne genug Menschen gegen achtzig, die einen Wagen haben. Und sollte ich jemals so alt sein, möchte ich sicher nicht, dass eine Endvierzigerin an meiner Fähigkeit zweifelt, ein Fahrzeug zu lenken.
    „Na gut“, sagt die Nonne plötzlich. „Vielleicht ist es besser, wir reden. Ich habe aber nicht viel Zeit.“ Sie geht ins Haus, ich folge ihr.
    Im Eingangsbereich ein Bild von einer Heiligen und eine brennende Kerze davor. Ist es Hildegard von Bingen? Die ist jedenfalls die einzige heilige Hildegard, die ich kenne. Daneben ein gerahmter Spruch: „Disce et servi“. Könnte als Motto der heiligen Hildegard passen: „Studiere und diene“. Oder so ähnlich. Ich hoffe, meine tief vergrabenen Lateinkenntnisse narren mich nicht. Die Nonne öffnet die Tür und bittet mich in ihr Büro. Ich bin irgendwie enttäuscht. Das Büro würde in jedes ältere Amtsgebäude passen. Dunkler Schreibtisch aus Holz, PC, Aktenschränke. Selbst dem schlichten Kreuz könnte man in durchaus weltlicheren österreichischen Bürostuben begegnen. Sie setzt sich hinter den Schreibtisch, ich setze mich auf den Drehsessel davor. Ich schnuppere. Weihrauch ist das nicht.
    „Lavendel“, sagt die Nonne. Sie scheint eine ziemlich scharfe Beobachterin zu sein. „Wir füllen ihn in Säckchen. Die heilige Hildegard hat ihn als ,Muttergotteskraut‘ bezeichnet, weil er so viel Übles bannen kann.“
    „Gegen Mord hilft er allerdings nicht“, komme ich zur Sache. „War eigentlich die Spurensicherung schon da?“
    „Die sind ganz zeitig in der Früh gekommen und waren bald wieder weg. Viel können sie nicht gefunden haben. Mord ... Ausgesprochen hat das noch niemand. Es klingt absurd in unseren Mauern.“
    „Sie haben gestern Nacht gesagt, dass Schwester Cordula weg wollte. Hatte das mit der ,Beauty Oasis‘ zu tun?“
    „Ich will den Artikel sehen, bevor Sie ihn veröffentlichen“, verlangt die Nonne. Jenseitig ist die nicht.
    Ich nicke. „Selbstverständlich.“
    „Wir haben eine gute Geschäftsbeziehung mit der Einrichtung von Professor Grünwald. Wir helfen bei der Pflege und dafür können wir unsere Hildegard-Produkte bei ihm verkaufen. Wie Sie sehen, bin ich nicht mehr die Jüngste. Der Altersdurchschnitt in unserer Gemeinschaft liegt bei achtundsiebzig Jahren. Nachwuchs gibt es kaum. Also waren wir gezwungen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Um zu überleben.“
    „Cordula war Nachwuchs.“
    „Cordula hatte viele Ideale, das kommt bei Nonnen vor“, lächelt die Klosterschwester. „Sie wollte echte Kranke pflegen und nicht Konsumenten der Schönheitsindustrie. Und sie wollte nicht, dass unsere Produkte verkauft werden wie irgendwelche kommerziellen Cremes.“
    „Aber deswegen hat man sie wohl kaum in die Sauna gesperrt“, gebe ich zu bedenken.
    Schwester Gabriela seufzt. „Nein, natürlich nicht. Und vergessen Sie alles, was Sie in seltsamen Filmen über die angeblich so strengen Klosterregeln samt Femegericht und Rachemorden gesehen haben. Wir hätten Cordula selbstverständlich gehen lassen, wenn sie unsere Gemeinschaft tatsächlich hätte verlassen wollen. Ihr Problem war bloß: Sie hat sich nach mehr Kloster, nicht nach weniger Kloster gesehnt.“
    „Ein Mann ist auszuschließen?“
    Jetzt sieht mich die alte Nonne eindeutig amüsiert an. „Wann ist ein Mann schon auszuschließen bei uns Frauen? Lesbisch war sie nicht, unsere Cordula. Nein, aber ich glaube kaum, dass sie einen Geliebten gehabt hat.“
    „Und wenn doch? Und wenn er viel zu verlieren hatte, falls seine Beziehung zur jungen Nonne bekannt geworden wäre?“
    „Na gar so jung war sie auch wieder nicht. Achtunddreißig.“
    Ich probiere es weiter. „Was, wenn sie sich verliebt hat und das Verhältnis offenlegen wollte? Ihn heiraten wollte? Was, wenn es Professor Grünwald selbst ...?“
    Die Nonne amüsiert sich immer noch. „Das dürfen Sie natürlich nicht so schreiben, aber so etwas hätte dem eitlen Professor sicher sehr gefallen. Dass ihn seine Frau letztes Jahr wegen dieses zweitklassigen Schlagersängers verlassen hat, war gar nicht gut für sein Ego. ,Die Nonne und der Schönheitschirurg‘: Er hätte die Schlagzeile selber erfunden,
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