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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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öfter als ich“, sagt der bisher so ruhige Boxergesichtige. „Das war meine erste und letzte Operation.“
    Na sieh an, jetzt endlich kommt ein interessantes Gespräch in Gang.
    „Ich bin bloß zur Entspannung da. Das Wellnessprogramm ist einmalig. Und ich liebe diese Hildegard-Nonnen“, gibt Dame zwei bekannt.
    Wer es glaubt. — „Was haben Sie sich machen lassen?“, frage ich ins Boxergesicht.
    „Tränensäcke entfernen und Oberlider liften. In meiner Branche sollte man nicht zu alt aussehen. Aber es hat mir keiner gesagt, wie sauweh das tut. Und dass einem danach das ganze Gesicht anschwillt.“
    „Also bei den Oberlidern hab ich gar keine Probleme gehabt“, schüttelt Dame zwei den Kopf.
    Gerade noch hat sie behauptet, sie sei nur zum Wellnessen da!
    „Also doch ein kleiner Eingriff!“, bemerkt Dame eins mit gespitztem Mund.
    „Das war schon vor einem Jahr“, kontert Dame zwei.
    „In welcher Branche sind Sie denn tätig?“ Wie ein Schauspieler sieht der Mann nicht aus, Fernsehentertainer scheint er auch keiner zu sein, jedenfalls nicht in einem Sender, den ich sehe.
    „Vertreter. Ich führe Mehrzweckküchenhobel und Ähnliches vor. Die Konkurrenz schläft nicht. Wenn ich mich nicht anstrenge, dann kriegen jüngere Kollegen die großen Messen und ich tingle auf Wochenmärkten in Kuhdörfern herum. Oder ende, wie ein Kollege von mir, in der Versandabteilung. Wenn sie mich nicht überhaupt rausschmeißen. Die fragen heutzutage nicht mehr nach Erfahrung.“
    „Ich hatte einen Hobel, mit dem ich mich andauernd geschnitten habe“, wirft Dame zwei ein.
    „Sie hätten den Schutz benutzen sollen, alle guten Hobel haben einen Handschutz. Ich sage das den Damen immer und immer wieder: Niemals ohne Schutz arbeiten! Unsere Hobel sind wahre Hochleistungs..."
    Ich habe gar nicht bemerkt, dass Professor Grünwald unseren Tisch angesteuert hat. Jetzt steht er da und Dame eins meint aufmunternd in meine Richtung: „Jetzt fragen Sie ihn doch!“
    „Wir haben ja noch gar nicht getippt“, murrt Dame zwei.
    Professor Grünwald schenkt uns ein strahlendes Lächeln. Wie alt ist er wohl? Ich habe in keiner seiner Biografien das Geburtsdatum gefunden. „Was wollten Sie mich fragen?“, sagt er und sieht mich an wie der freundliche Onkel von nebenan.
    „Na wie viele Operationen Sie schon gehabt haben“, antwortet Dame eins. Sie hat offenbar auch ein wenig zu tief ins Glas geschaut. Meine Güte, wie peinlich.
    Grünwald wirft mir einen kurzen scharfen Blick zu und antwortet dann in die Runde: „Wahre Schönheit, das sage ich immer, kommt von innen. Und daran will ich mein Leben lang arbeiten.“
    „Aber Ihre Nase ...“, insistiert Dame eins. „Sie müssen sich ja vor uns nicht genieren ... “
    Grünwald wirft seinem Steuerberater einen Blick zu, den ich interpretiere als: „Wozu zahle ich dir viel Geld, wenn dir in dieser Situation nichts einfällt?“ Dann lächelt er. „Ich hoffe, das Dinner hat Ihnen geschmeckt. Und da ich an Eingriffen zur Unterstreichung der Schönheit des inneren Ichs nichts Schlechtes finde: Die Nase hat einer der von mir ausgebildeten Kollegen modelliert, es war quasi sein Meisterstück. Er hat inzwischen eine ausgesprochen gut gehende Praxis bei St. Moritz. Meine Oberlider haben, wie bei den meisten Menschen ab einem gewissen Alter, die ein arbeitsintensives Leben führen, zu hängen begonnen und mein Gesichtsfeld verkleinert. Bei einer solchen gesundheitlichen Indikation zahlt sogar die Krankenkasse.“
    „Und das Faltenunterspritzen? Was nehmen Sie für sich selbst, Herr Professor? Eigenfett? Polymilchsäure?“, will Dame eins wissen.
    „Ich teste gerade eine neue Hyaluronsäurekombination. Natürlich können wir solche Tests nicht an unseren Gästen machen.“
    „Sieht gut aus“, meint Dame zwei und sieht ihm neugierig ins Gesicht.
    „Na ja“, ergänzt Dame eins. „An den Tränensäcken könnte man noch etwas tun.“
    „Apropos Augenlider: Dazu würde ich auch Ihnen raten. Unser Kalender ist voll, aber irgendwie könnte ich Sie morgen einschieben“, sagt Professor Grünwald in meine Richtung.
    Ich schüttle den Kopf und lächle. „Ich stehe zu meinem eingeschränkten Gesichtsfeld.“
    „Ein eingeschränktes Blickfeld kann sehr gefährlich sein“, kontert Grünwald, es klingt wie eine Drohung. Er dreht sich um und geht davon, zum nächsten Tisch.
    „Wir hätten wohl doch nicht fragen sollen“, sagt Dame zwei.
    „Ich dachte, zum Faltenaufspritzen nimmt man
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