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Unterm Messer

Unterm Messer

Titel: Unterm Messer
Autoren: Eva Rossmann
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erzählt, dass er ebendiesen besonderen Gong als Dank für eine seiner ersten Operationen in Bangkok bekommen habe, er erzählt von seiner Freundschaft mit den internationalen Größen der „Ästhetischen Chirurgie“ in Asien und in Lateinamerika, von seinen Studienaufenthalten dort in jungen Jahren, dass seine patentierten Nasen und Wangen gerade in diesen Teilen der Welt unendlich beliebt seien und von seinem Konzept der allumfassenden Schönheit. Er lächelt die rund hundert versammelten Dinnergäste liebevoll an. „Mit meiner ,Oasis‘ im Steirischen Vulkanland setze ich um, was uns das Land gibt. Aus gewaltigem Feuer, aus Asche und Lava sind liebliche Hügel entstanden. Für Metamorphosen ist es nie zu spät und in keinem Fall zu früh. Geist, Seele und Körper sind eins und werden hier - er macht eine Kunstpause - „... schön.“
    Heftiger Applaus, Grünwald setzt sich. Neben ihm die Schauspielerin, deren Name mir immer noch nicht einfällt, auf der anderen Seite der Opernverbunddirektor. Zufall? Oder entscheidet bei den prominenteren Gästen doch nicht das Los darüber, wo sie sitzen?
    Das Essen erweist sich leider als mittelprächtig. Das Lachsfilet ist viel zu lange gebraten und schmeckt tranig, Broccoli sind zwar angeblich gesund, aber ob das auch für zu Tode gedämpfte Exemplare gilt, weiß ich nicht. Dafür schmeckt der Wein ausgezeichnet. Er komme aus der Gegend, hat mir der ,Oasis‘ -Steuerberater erzählt. Über Grünwalds Schönheitsimperium will er hingegen nicht sprechen. „Der Professor gehört zu den ganz wenigen wirklich seriösen Schönheitschirurgen“, lässt er mich wissen. Ich langweile mich ein wenig und nehme noch ein Glas Wein. Die junge Frau mit der „urschönen“ eingebundenen Nase hat sich an einen anderen Tisch verzogen und redet auf eine in etwa Gleichaltrige ohne Gesichtsverband ein. Der Mann mit dem Boxergesicht schweigt in seinen Teller. Die beiden reiferen Damen flüstern miteinander. Geht es um die Vorzüge der Oberarmstraffung? Um die Entscheidung zwischen Lifting und chemischem Peeling? Oder tauschen sie bloß ihre Lieblingsrezepte für Marillenmarmelade aus? Und was macht mich hier so durstig? Ich greife nach der Wasserflasche, wohl besser, ich trinke keinen Alkohol mehr, wenn ich mein Zimmer in diesem weitläufigen Schönheitsareal wiederfinden und aufrecht betreten möchte. Aber die Wasserflasche ist leer. Schicksal. Ein kleines Glas Wein geht schon noch.
    Das Servicepersonal serviert die Nachspeise ab. Ich habe vom „Himbeerschaum auf Brombeerspiegel“ nur gekostet. Zu süß. Aber ich steh ohnehin nicht auf Desserts. Kleine Teller auf großen Tabletts werden gebracht. Etwas Käse? Das wäre fein. Aber es sind drei Schokobonbons, die vor jedem von uns landen. „Die sind ebenfalls aus der Gegend“, klärt mich der Steuerberater auf. Auch er scheint sich zu langweilen, andererseits aber nicht zu wissen, was er mit mir reden könnte, ohne zu riskieren, Interna der ,Beauty Oasis‘ auszuplaudern, die keine Journalistin etwas angehen. Ich nicke. Beinahe jeder kennt die Schokomanufaktur im Vulkanland. Gegen ihre ganz dunklen Schokoladen bin nicht einmal ich immun. Ich stecke mir das erste der viereckigen Bonbons in den Mund und zerdrücke es langsam am Gaumen. Mhm, irgendetwas mit Nuss. Das nächste hat mit duftendem Espresso zu tun, das dritte ist zu meiner Freude eindeutig eine Kombination von Ingwer und Schokolade. Die Schokowerkstätte samt angeschlossenem Laden ist inzwischen eine der Hauptattraktionen der Umgebung geworden. Keine Schulklasse, keine Seniorenrunde, die nicht schon einmal dort gewesen wäre. Vielleicht kann ich das irgendwie in meine Story einbauen? Schokolade statt Schönheitsoperation? Schokolade macht glücklich, sagt man. Wahr ist, dass die drei Bonbons meine Stimmung deutlich aufgehellt haben. Und sie machen mich ein wenig übermütig. — Oder ist das der Wein?
    „Wie oft ist Professor Grünwald selbst schon operiert worden?“, frage ich laut in die Runde. „Jeder gibt einen Tipp ab, dann geh ich rüber und frag ihn. Und wer am nächsten dran ist, der hat gewonnen.“ Der Steuerberater sieht mich fassungslos an. Der Mann mit dem Boxergesicht taut auf und grinst. Die beiden älteren Ladys scheinen zu überlegen.
    „Natürlich ist er nicht operiert“, sagt Grünwalds Berater in Steuerangelegenheiten.
    „Ich weiß nicht“, flötet die eine der Damen, „aber ich glaube nicht, dass es sich gehört, ihn das zu fragen.“
    „Sicher
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