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Unterm Kirschbaum

Unterm Kirschbaum

Titel: Unterm Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Erklärung.«

     
    *

     
    Auf den Besuch bei seinem Exkollegen Gunnar Schneeganß freute sich Mannhardt nicht sonderlich. Arrogante Jungmänner mit Brilli im Ohrläppchen und Gel im Haar, Marke ›Deutschland sucht den Superdussel‹, standen bei ihm auf der emotionalen Abschussliste. Außerdem schien er im Fall Schulz wirklich ›Scheiße gebaut zu haben‹, wie Gisbert Hinz es am Telefon formuliert hatte. Der alte Hypochonder hielt sich auch als Pensionär durch seine vielen Krankheiten gesund, im Augenblick, so hatte er Mannhardt verraten, würde er sehr unter seinem Tennisarm zu leiden haben.
    »Du hast doch nie Tennis gespielt …?«
    »Trotzdem.«
    Mannhardt marschierte mit gemischten Gefühlen durch die altvertrauten Gänge seines ehemaligen Dienstgebäudes. Einerseits war er froh, dieser Tretmühle entronnen zu sein, andererseits hätte er heulen können, dass nun alles vorbei war und am Ende seiner jetzigen Lebensphase Altersheim und Friedhof auf ihn warteten.
    Aber immerhin, er hatte seine kosmische Pflicht erfüllt und seine Gene weitergegeben, und wenn sein Enkel wirklich einmal Staatsanwalt wurde, dann war das ja irgendwie die Fortsetzung seiner Karriere auf anderer Ebene.
    Schneeganß hatte sie erwartet und extra dafür gesorgt, dass es nichts zu trinken gab, weder Mineralwasser noch Kaffee oder Tee. Er wünschte, wie ihm deutlich anzusehen war, Mannhardt mit seinem Aktionismus zum Teufel, musste sich aber kooperativ zeigen, weil er wusste, dass sonst die Presse über ihn herfallen würde. Heike Hunholz, Mannhardts Lebensgefährtin, war Journalistin und hatte ihre Möglichkeiten und Kontakte.
    Mannhardt konnte also damit rechnen, dass Schneeganß ihn nicht so einfach abwürgen konnte.
    »Lieber Gunnar«, begann er. »Ich bin nicht der bezahlte Anwalt von Klütz und habe nichts gegen Wiederschein, der ein sehr netter Mensch ist, ich will mich ebenso wenig in deine inneren Angelegenheiten einmischen, aber irgendwie treibt es mich und meinen Enkel, die Wahrheit herauszufinden. Du weißt ja, dass ich süchtiger Fontane-Verehrer bin, und fast scheint es mir so, als würde der Alte hier seine Hand im Spiel haben und Regie führen. Unterm Birnbaum, unterm Kirschbaum … Schön, Klütz kommt in seinem Roman nicht vor, aber Wiederschein ist doch irgendwie der wiederauferstandene Abel Hradschek, und seine Frau ist ganz die Ursel. Um Fontane geht es mir vor allem.«
    Schneeganß nahm das kommentarlos hin. »Nun gut … Meiner Ansicht nach hast du dich zu willig vor Klütz’ Karren spannen lassen. Der ist zweifelsohne nur geil darauf, wieder mal im Mittelpunkt zu stehen. Das hat er doch schon lange nicht mehr gehabt. Nun aber: Ich widerrufe mein Geständnis, und sofort bin ich wie früher in den Medien. Und wenn es zu einem neuen Prozess kommen sollte, ist er der absolute King. Nein, du, ich spiel da nicht mit, solange es nicht hieb- und stichfeste Beweise dafür gibt, dass es dieser Wiederschein und seine Frau wirklich gewesen sein könnten. Oder meinetwegen auch der oder die große Unbekannte. Du bist also am Zuge.«

     
    *
    Sie hatten sich mit Margrit Minder-Cerkez in einem Café in der Fußgängerzone Alt-Tegel verabredet, was für Mannhardt sehr praktisch war, da er gleich nebenan am Tegeler Hafen zu Hause war. Orlando, der noch bei seinen Eltern in Tempelhof wohnte, kam mit der U 6. Sie trafen sich vor dem U-Bahn-Aufgang gegenüber der C&A -Filiale.
    »Auf der Fahrt hierher ist mir erst klar geworden, dass wir uns bis jetzt nur für Wiederschein interessiert haben«, sagte sein Enkel, nachdem sie sich begrüßt hatten. »Aber die Wurst hat sozusagen zwei Enden zum Anbeißen – und das andere Ende, Klütz also, ist genauso wichtig.«
    Mannhardt fand das Bild irgendwie schief für jemanden, der Staatsanwalt werden wollte, hielt sich aber mit der Kritik zurück, denn die jungen Menschen wurden ja zunehmend empfindlicher, wenn man ihre Einmaligkeit infrage stellte.
    »Ja, du hast recht, denn wenn wir dahin kommen, Wiederschein die Tat nachzuweisen, Klütz aber plötzlich eine Kehrtwende macht und sagt: ›Ich war es doch‹, würden wir ziemlich dumm dastehen. Da hätten wir dann gleich zwei Täter auf einmal.«
    Orlando Drewisch blieb stehen und rief. »Mensch, du, Opa, das isses vielleicht: Sie haben die Tat gemeinschaftlich begangen!«
    »Quatsch!«
    Sein Enkel blieb hartnäckig. »Warum denn nicht?«
    »Weil …« Ein Argument, das Orlandos These schlagartig widerlegt hätte, wollte Mannhardt nicht so

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