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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen
Autoren: Werner Legere
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Vater?« Ein Hauch nur ist dieses »Vater«, ein zartes Pflänzchen, das keinen rauhen Luftzug verträgt.
    »Du – mein Sohn? Der Sohn, den ich tot glaubte?«
    Luigi Parvisi reißt den Turban herab, wischt Schweiß und Pulverstaub vom Gesicht des Sohns, macht einen Schritt zurück, betrachtet den Menschen, der ein Stück seines Ichs ist, zieht ihn stürmisch an sich. »Livio!«
    Freude, Dankbarkeit, Erlösung ist in dem Wort. Tränen fallen ins Gesicht des wilden Korsaren. Luigi Parvisi weint.
    »Jahrelang habe ich dich gesucht, Livio, viele lange Jahre hindurch. Was mir als ,El-Fransi’ nicht gelang, es gelang doch noch dem Korsarenjäger. Ich danke dir, mein Gott!«
    »El-Fransi? Du, mein Vater, bist auch El-Fransi?«
    »Ich war es, Livio. Hast du davon gehört?«
    »So wie El-Fransi und sein treuer Selim wollte ich auch werden!«
    »Da steht er, der Freund! Komm her, Selim!«
    Der Neger, der kürzlich erst Achmed in den Armen hielt, löst sich von Ali, schließt Livio in die Arme.
    »Vater, Vater!« jubelt der junge Korsarenkapitän auf.
    »Endlich habe ich einen Vater! Bisher gab ich diesen Namen manchmal meinem Freund Benedetto.«
    »Du hast ihn erschossen!« Gequält stellt es Luigi fest.
    »Nein, nein, es darf nicht sein. Sag, daß es nicht wahr ist, Vater. Sag es!« bettelt Livio.
    »Schnell, vielleicht kann man noch helfen, retten!« Vater und Sohn hocken sich neben den alten Italiener, den man bei der Wucht der Ereignisse, die über diese beiden Menschen hereingeprasselt ist, vergessen hatte.
    »Gott sei Dank, er lebt, ist nur ohnmächtig«, beruhigt Luigi den ängstlich dreinblickenden Sohn. »Der Schuß ist ihm in die Schulter gegangen. Sein Arm wird steif bleiben, wie meiner von der Kugel Mustaphas.«
    »Ich weiß um deinen Kampf mit dem Ratgeber des Deys.«
    »Auch ihn kennst du, mein Sohn?«
    »Er hat mir meine Laufbahn zum Korsarenkapitän ge-ebnet.«
    »Welche Zusammenhänge bestehen hier? Aber lassen wir das. Wir sind wieder vereint! – Doktor Verlani!«
    befiehlt Parvisi.
    Es dauert lange, bis der Doktor erscheint. Er hat alle Hände voll zu tun.
    »Was ist, Signore Parvisi?« fragt er atemlos vom schnellen Laufen.
    »Endlich, Doktor! Ich empfehle einen Verwundeten Eurer ganz besonderen Aufmerksamkeit und Pflege. Den da, meinen alten Diener Benedetto Mezzo. Flickt ihn zusammen, Freund! – Noch eins, einen Augenblick noch. – Enrico, komm her!«
    Der junge Kapitän Parvisis, der da und dort Anweisungen erteilt und gerade in der Nähe ist, folgt dem Ruf.
    Auf den Korsarenführer zeigend, sagt Luigi: »Freunde!
    Ich stelle euch hiermit den berühmten Korsaren Omar, meinen totgeglaubten Sohn Livio, vor!«
    »Ihr Sohn, Signore Parvisi?« stottert der Arzt.
    »Meine Hochachtung, Omar – Verzeihung, Signore Parvisi. Sie sind ein Meister in der Schiffsführung.« Der junge italienische Kapitän verneigt sich vor dem ge-fürchteten Gegner.
    Omar lacht. »Und Sie mein Ebenbild! Wenn ich nicht so unerwartet meinen Vater gefunden hätte, wäre einer von uns heute abend nicht mehr unter den Lebenden. Für zwei gleich starke und gewandte Männer hat auch das riesige Meer keinen Platz. – Doch nun kommt alle mit hinüber auf den echten ,A1-Dschezair’. Ich bin meiner Mannschaft Auskunft schuldig.«
    Bevor man geht, flüstert Luigi einem seiner Leute etwas zu. Livio kann es nicht verstehen.
    »Der ,A1-Dschezair’ ist schwer beschädigt«, macht er den Vater und die Begleiter aufmerksam.
    »Ja, mein Sohn, stärker als meine ,Genua’.«
    »Wieso? ,Genua’?«
    »Sieh hin!«
    Livio ist verblüfft. Das vor kurzem noch unter der Korsarenflagge segelnde Schiff hat die sardinische und die Flagge Genuas gesetzt. Leute sind eben dabei, am Bug eine große Tafel mit dem richtigen Namen »Genua«
    über das Wort »Al-Dschezair« zu hängen.
    Fatum, Schicksal, Allahs Wille. Man kann ihm nicht entgehen, muß hinnehmen, wie es bestimmt ist. Solche Gedanken gehen den Korsaren durch den Kopf, als ihnen ihr Reis die undenkbare Wendung berichtet.
    Als Livio dann mit dem Vater, Enrico und den Jugend-freunden in seiner rauchgeschwängerten Kajüte sitzt, fragt er: »Was soll nun geschehen?«
    »Keiner außer dir und meinem braven Enrico Torzzi kann die Wracks, denn die ,Genua’ ist auch nicht viel anderes, sicher in den Hafen steuern. Daß du nicht mehr Korsar sein wirst, darüber brauchen wir nicht erst zu reden.«
    »Aber Korsarenjäger, Vater, wie du! Ich habe es Benedetto versprochen, nach dem Sieg über den falschen
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