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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen
Autoren: Werner Legere
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Rük-ken. Das Schiff, auf dem sie nun so lange schon fahren, auf dem sie jetzt stehen – dort ist es! Teufelswerk, eine Sinnestäuschung. Oder hat man es mit einem Gespen-sterschiff zu tun, ist der Gegner durch überirdische Kräf-te geschützt?
    Doch hatten sie nicht Omar, der nun wieder mitten unter ihnen steht, geschworen, mit ihm auch die Hölle zu stürmen, wenn er es befehle?
    Es ist soweit! Dort ist die Hölle.
    Und als ob sie ihre Schlünde aufgerissen habe und gif-tigen Odem ausspeie, so dröhnt es plötzlich durch die Luft. Der Feind hat den Kampf aus allen Rohren begonnen.
    Hände mit glühenden Eisen zucken zu den Zündlöchern der Kanonen hoch.
    »Abwarten! Ich befehle!« Omars Stimme ist wie Donnerschlag. Die Feuerwerker schrecken zurück. In letzter Minute.
    Die Kugeln des Gegners haben nicht getroffen. Sie sollten wohl auch nicht – waren bei dieser Entfernung nichts als das Zeichen, daß der falsche »Al-Dschezair« zum Kampf auffordert. »Fall ab, zwei Strich West!« befiehlt der Kapitän.
    Der Segelmeister gibt nähere Ausführungen dazu. Sich zur Seite legend, ändert die Fregatte den Kurs.
    Gleichzeitig wechselt auch der andere den Kurs.
    »Sieh, Benedetto«, der Italiener befindet sich auch jetzt neben Livio, wie in allen Kämpfen, »der Kerl kreuzt und verringert dabei kaum die Geschwindigkeit. Das ist meisterhaft. Bravo, bravo! Nicht besser könnte ich das Ma-növer ausführen.«
    Wer mag es sein? In Gedanken überfliegt Omar die Reihe der berühmten Korsarenführer. Aber es ist keiner darunter, der ihm ebenbürtig wäre. Nur der Unbekannte auf dem falschen »Al-Dschezair« kann es mit ihm aufnehmen. Ob er jung ist? Oder alt? Sicherlich jung, denn sonst wäre seine Tüchtigkeit längst in aller Mund. Bisher weiß man nichts weiter von ihm als den Angriff auf die algerischen Korsaren. Warum hat er es nur auf uns abgesehen, während die Marokkaner und Tunesier keine Klagen erheben? Steht er mit einem dieser Staaten in Verbindung, ist er Marokkaner, Tunesier oder Tripolitaner?
    »Alle Rohre zum Feuern bereit! – Die Enterer bereit! –
    Schiff zum Kampf bereit!« meldet man. Es ist bereits mehrfach getan. Aber der Ton ist jetzt anders. Die Männer gieren nach Kampf, Wenn es möglich wäre, würden sie sich über Bord stürzen und dem Feind entgegen-schwimmen. Wenigstens mit immer neuen Meldungen versuchen sie, der Spannung, die sie befallen hat, Luft zu machen.
    Etwas muß geschehen, selbst wenn es etwas Unsinniges wäre, denn man hat noch Zeit. Omar liebt es nicht, auf große Entfernung zu kämpfen.
    Und der andere, der so ganz wie er ist, wird ebenso denken. Lassen wir ihn herankommen.
    Womit die Leute beschäftigen, ablenken? Omar über-prüft sorgfältig, immer ein Auge auf den Feind gerichtet, den Gefechtszustand des Schiffes. Unsinnig das, er weiß es; denn heute hat jeder mit noch größerer Peinlichkeit als sonst die ihm übertragenen, immer gleichbleibenden Aufgaben durchgeführt. Es gibt nichts zu beanstanden, nichts zu verbessern.
    Nach diesem Rundgang beobachtet er die Segelmanö-
    ver des Gegners. Neid erfüllt ihn und Haß. Der da drü-
    ben versteht ebenso wie er selbst, aus dem herrlichen Schiff alles herauszuholen. Wie leicht, geschmeidig, genau führt er die Fregatte, obwohl sie gegen den Wind steht.
    »Omar!« Ein Wutschrei würgt aus den Kehlen der Korsaren. »Er flieht, flieht!«
    Omar hat bereits bemerkt, daß der Falsche abdreht und sich zurückzieht.
    Die racheschnaubenden Korsaren, kampflüstern, es mit dem gefährlichen Feind endlich aufnehmen zu können, rennen wie aufgescheuchte Ameisen über das Deck.
    »Allah verfluche ihn! Er ist ein Feigling! Feiger Hund, feiger Hund!« grölen sie.
    »Dummköpfe!« Der Reis hütet sich, es seine Leuten hören zu lassen. Aber Dummköpfe sind sie. Was als Flucht erscheint, ist nichts als ein meisterhaftes Schwenken. Wenn ihn jetzt die Kugeln des »Al-Dschezair« nicht erreichen, dann ist die Mißgunst des Windes ausgegli-chen.
    Feuern? Nein. Omar preßt die Lippen aufeinander, um ja nicht den Feuerbefehl entschlüpfen zu lassen. Noch ist die Wahrscheinlichkeit, das wendige Schiff voll zu treffen, zu klein.
    Kein Schuß darf fallen, der nicht drüben Tod und Verderben auslöst.
    Omar beschließt, die Mannschaft des falschen »Al-Dschezair« erst einmal durch Segelmanöver zu ermüden.
    Er will die Genugtuung haben, dem anderen vor dem Ende zu zeigen, daß er, Omar, nicht nur der kühnste Korsarenreis, sondern auch der beste
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