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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen
Autoren: Werner Legere
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im Zimmer. Dem Eingang gegenüber sitzt in einem hochlehnigen Sessel ein älterer, sorgfältig gepflegter Herr. Ein jüngerer stößt soeben den Stuhl von der Längsseite des Tisches zurück und springt auf. Er blickt verstört auf den Eindringling. »Pietro!« Der befeh-lende Ton des Alten mahnt den jungen Mann, Haltung zu bewahren. Zögernd nimmt dieser wieder Platz.
    Die beiden Männer sind Agostino Gravelli, der einfluß-
    reichste Bankier Genuas, und sein Sohn Pietro.
    Der Fremde hat den rechten Arm, mit dem er bisher den Mantel hochgehalten hat, gesenkt. Sein Gesicht ist frei. Jetzt schrickt Gravelli zusammen; dann aber ist sein Antlitz ruhig, als seien niemals Schrecken und Furcht darüber gejagt. So hart und eisern ist es, wie zu den gro-
    ßen Verhandlungen, die immer zugunsten des Bankiers auslaufen. Mühsam erhebt er sich aus dem Sessel. Ein kurzer Wink gebietet Pietro, das Zimmer zu verlassen.
    Der Sohn befolgt den Befehl sofort.
    Ohne eine Einladung des Hausherrn abzuwarten, läßt sich der Fremde am Tisch nieder. Und als fühle er sich hier zu Hause, gießt er Wein in einen Kelch, dessen Rand er sorgfältig abwischt.
    Aus des Bankiers Augen schießt ein Blitz. Er ist beleidigt, aber er beherrscht sich. Schweigend nimmt er ebenfalls Platz.
    »Gravelli, wir sind unzufrieden mit Euch«, beginnt der Mann im Mantel die Unterhaltung.
    »Ich kenne den Grund nicht«, entgegnet der Bankier.
    »In den letzten Monaten haben verschiedene Schiffe Genua und andere westitalienische Häfen verlassen, oh-ne daß wir von Euch Nachricht erhielten.«
    »Bin ich allwissend!« begehrt Gravelli auf.
    Der Gast achtet auf diesen Einwurf nicht. Er zieht ein Papier aus der Tasche und hält es absichtlich so, daß der Bankier es erkennen kann.
    »Hm, hm«, murmelt er. »Ihr bekamt vom Dey von Algier eine große Summe Geld geliehen. Eine große Summe. Ja, hier steht der Betrag genau. Wartet… Es war Rettung in höchster Not, als Euch der Dey beisprang.
    Ach, man wird alt, Gravelli, die Geisteskräfte lassen nach. Wie war es doch gleich? Ihr müßt Euch noch erinnern.«
    »Schu…«, Gravelli kann das »Schurke« gerade noch in ein unklares Stöhnen verwandeln. Er ist sich nicht dar-
    über im unklaren, daß der Besucher es dennoch deutet –
    an die Gurgel möchte er dem Fremden springen.
    »Na, wenn Ihr nicht reden wollt, Gravelli, bitte. Als Gegenleistung verpflichtetet Ihr Euch, uns alle Schiffe zu melden, die Segel nach dem südlichen Mittelmeer setzen.«
    Der Bankier schweigt. Er kennt den Vertrag, der ihn zwingt, den Raubschiffen, den Korsaren des Deys von Algier, Beute zuzutreiben.
    »Laßt die Hand vom Leuchter, Gravelli!« zischt plötzlich der Fremde scharf. Und spöttisch fährt er fort, als er die Wirkung seiner Worte auf den Hausherrn bemerkt:
    »Ihr seid mir nicht gewachsen, solltet es wissen, Mann.
    Ich sehe es Euch an, daß Ihr Lust habt, mir den Schädel einzuschlagen. Dann könntet Ihr seelenruhig das Dokument an Euch bringen und wäret aller Bindungen ledig.
    – Gravelli, seid Ihr ein Kind? Fast muß ich es annehmen; denn Ihr benehmt Euch kindisch. Unsere Macht ist unendlich größer als die Eure, auch wenn Ihr inzwischen einer der reichsten und mächtigsten Männer Genuas geworden seid. Schade um jede Handbewegung.«
    »Was wollt Ihr, Benelli?« Gravelli ist nicht einzuschüchtern. Der andere hatte seine Gedanken erraten, bevor die Hand sie ausführen konnte. Gut, vorbei. So ist seine Frage ganz sachlich und geschäftsmäßig.
    »Keinen Namen, ich warne«, weist ihn der Besucher zurecht. »Ich fühle mich in Eurem Hause sicher. Trotzdem ist es notwendig, mich niemals, selbst nicht in Gedanken, nicht im Traum, so anzureden. Euer Diener ist zweifellos gut geschult und wird nicht die Ohren an Ritzen und Spalten haben und auch kein Geheimnis seines Herrn ausplaudern, sollte es zu seiner Kenntnis gelangt sein; aber Ihr selbst könntet Euch einmal an einem anderen Ort vergessen. – Ich habe vom Dey zu bestellen, daß er Euch an Eure Pflicht mahnt und – warnt. Die Nachrichten in der letzten Zeit sind mangelhaft gewesen.«
    »Ich habe getan, was ich konnte«, verteidigt sich der Bankier.
    »Bah, leere Worte! Die Verbindungen des Hauses Gravelli sind so weitreichend, daß es unglaubhaft ist, daß Euch die Reisen vieler Schiffe nicht bekanntgeworden wären. Nein, nein, Ihr macht mir nichts weis. Ich kenne Eure großen Geschäfte, auch wenn sie noch so heimlich und unter Decknamen abgeschlossen werden. Sie haben Euch
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