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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen
Autoren: Werner Legere
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erfüllt. Nicht aus den von dir angegebenen Gründen. Die kümmern mich nicht. Mich drückten die Fesseln. Der Dey hat mich damals in den Sattel gesetzt, reiten habe ich selbst gelernt, aber leider meine Kraft überschätzt.
    Seit heute weiß ich, daß ich nicht gegen ihn ankomme.«
    »Was gedenkst du zu tun?«
    »Ich suche nach einer Möglichkeit, wenigstens das Vermögen zu sichern. Um mein Leben ist mir nicht bange, wenn ich Algier weiter mit Nachrichten bediene. Aber ich fürchte unseren nächtlichen Besucher. Bisher hat er nur für den Dey gearbeitet. Laß den Fall eintreten, er entzweite sich mit ihm, oder der jetzige Herrscher würde gestürzt, wie das da unten so schnell geschieht, und der neue verschmähte die Hilfe dieses Gauners; dann besteht die Gefahr, daß der Mann sich an mich hält. Sicher bin ich vor ihm niemals. Es kommt darauf an, wer von uns beiden schneller und rücksichtsloser ist. Ich werde mich bemühen, beides zu sein. – Ah – vielleicht geht es so. –
    Pietro, du mußt in den nächsten Tagen Genua verlassen.
    Ich werde dir alle verfügbaren Mittel geben und eine weitere Verschiebung unseres Vermögens folgen lassen.«
    »Wohin?«
    »Weg aus Italien. Doch nicht zu weit. Napoleon ist in Rußland geschlagen worden. Das bedeutet natürlich noch nicht, daß die Herrschaft des Korsen zu Ende ist, aber ich möchte nicht mehr auf ihn bauen. Die politische Lage Europas ist verwirrt. Nirgends, wenn wir von den kleinen Staaten absehen, die kein Betätigungsfeld für uns sein können, besteht absolute Sicherheit. Gehe nach Wien. Du bekommst von mir laufend Anweisungen, wie du dort die Geschäfte zu führen hast. Ich habe das Ge-fühl, daß einmal über kurz oder lang eine vollkommene Änderung eintreten wird; vielleicht löscht der Haß der Völker den Tyrannen aus. Die mir von allen Seiten zu-gehenden Nachrichten lassen es erhoffen. Gut, es bleibt bei Wien. Ich diene dem Dey hier weiter.«
    »Komm mit uns, Vater!«
    »Zwecklos und unmöglich. Benelli, dieser italienische Renegat, überwacht sicherlich alle meine Schritte. Hier geschieht mir vielleicht nichts. In Wien aber würde mich der Dolch eines bezahlten Mörders treffen; denn ich könnte von dort aus meinen Vertrag nicht erfüllen. Jetzt erbitte ich, was ich vordem forderte: Schweige gegen jedermann, selbst gegen deine Frau, über diese Unterhaltung. Und erwähne niemals den Namen Benelli in Verbindung mit den Korsaren. Nur drei Menschen kennen ihn so in Genua: ich, du und der alte Camillo.«
    »Ich werde unverbrüchlich schweigen, Vater.«
    »Gut, Pietro. Morgen sprechen wir weiter. Du wirst dich mit deiner Frau und den Kindern auf eine Vergnü-
    gungsreise begeben, so daß die Franzosen keinen Argwohn beim Verlassen der Stadt schöpfen können. Sie würden es auch anders nicht, denn sie kennen mich ja, aber es ist besser so. Ich freue mich, daß ich nicht mehr Luigi Parvisi über den eigenen Sohn stellen muß.«
    Daß der Name des einstigen besten Freundes Pietros in dieser Stunde nochmals erwähnt wird, ist ein Verhängnis. Der junge Gravelli haßt Luigi mit gleicher Glut, wie er ihn früher geliebt hat. Langsam wie eine Katze beugt er sich weit über den Tisch zu dem Alten hin.
    »Weißt du, daß Luigi Parvisi mit Raffaela und seinem Söhnchen Livio demnächst nach Malaga segeln wird? Er soll dort die Niederlassung des Hauses übernehmen.«
    »Was sagst du?«
    »Mit der ,Astra’, hörte ich.«
    »Pietro, du bist ein Gravelli!«
    »Wird die ,Astra’ den Bestimmungshafen erreichen?«
    »Nein, wenn mir genug Zeit bleibt, meine Freunde davon zu unterrichten. Laß mich jetzt allein. Ich muß diese Nachricht auswerten und alles daransetzen, dem Ge-

    schlecht der Parvisi den Untergang zu bereiten.«

    DAS ENDE DER ASTRA
    Ein strahlend schöner Tag neigt sich seinem Ende entgegen. Die Sonne hat nur noch eine Handbreit ihres Laufes am Himmel zurückzulegen, ehe sie in den Weiten des Mittelländischen Meeres versinken kann. Breit, ruhig, gleichmäßig schwingen die Wogen, von deren Kämmen die Strahlen des Tagesgestirns wie feurige Pfeile davonhüpfen. Bedächtig schiebt sich vor den riesigen, in rötlichem Gold flammenden Ball ein Schiff.
    Bald steht es in ganzer Breite vor ihm. Dunkel, schwer, massig, denn alle Segel sind gesetzt: ein herrliches Bild.
    Die Galionsfigur am Bug des Seglers ist von Feuer übergossen. Die goldenen Buchstaben »Astra« am Heck künden den Namen des Kauffahrers, das darunter-stehende »Genova« – Genua – den
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