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Unter Korsaren verschollen

Unter Korsaren verschollen

Titel: Unter Korsaren verschollen
Autoren: Werner Legere
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angerech-net. Warum sollte an Verhältnisse gerührt werden, die überwunden waren? So blieb es nicht aus, daß auch wir Buben gute, ja, die besten Freunde wurden. Pietro, dessen Mutter starb, als er erst zwei Jahre alt war, fühlte sich in unserem Hause wohl.«
    Parvisi macht eine Pause. Sinnend blickt er über das Meer, das mit jeder Minute andere Farben abnahm.
    »Der Teufel scheint mich geritten zu haben«, setzt Luigi die Erzählung fort, »als ich die Zeichnung anfertigte.
    Gravelli hat wahrscheinlich angenommen, daß mir mein Vater von den früheren mißlichen Verhältnissen berichtet hat und man sich oft bei uns höhnisch darüber aus-ließ. Falsche Freundschaft mag es in seinen Augen gewesen sein. Jedenfalls kam es zu einem Bruch zwischen unseren Familien. Pietro durfte nicht mehr mit mir sprechen. Mit der Zeit entstand so etwas wie eine Todfeind-schaft. Die Väter grüßten sich wohl noch, wenn sie sich in den Straßen oder auf der Börse begegneten, aber nicht aus innerem Drang heraus, sondern lediglich der Menschen wegen.

    Gravelli bekämpfte von da an meinen Vater geschäftlich, ohne ihm aber ernstlich schaden zu können. Das Haus Parvisi handelt nach anderen Grundsätzen als Agostino Gravelli, der… Doch das gehört nicht hierher. Leider ist von unserer Seite aus nichts getan worden, die früheren guten Beziehungen wieder herzustellen. Es hät-te vielleicht nur eines erklärenden Wortes bedurft, das aber eben nicht gesagt worden ist. Der Bankier hat in den vielen Jahren seit Beginn seiner Tätigkeit in Genua keinen freundschaftlichen Verkehr mit anderen Handels-herren gesucht und ist auch nicht dazu aufgefordert worden. Eine Familie Gravelli gibt es nicht, nur das große Bankhaus Gravelli. Ich kann versichern, daß mein Vater niemals Fremden gegenüber auch nur die kleinste Andeutung von der Vergangenheit des Bankiers gemacht hat. Nur mir hat er später davon berichtet. Und auch ich habe geschwiegen. Mein Vertrauen in Sie, Herr Kapitän, ist so groß, daß ich keinen Augenblick zweifle, daß Sie meine Erzählung als nicht gehört behandeln werden.«
    Civone streckt dem jungen Parvisi die Hand zur Be-kräftigung hin.
    Der junge Mann schweigt und schließt dann, so, als ob es nicht für die anderen bestimmt sei, mit leiser Stimme:
    »Eine ähnliche Freundschaft, wie die mit Pietro Gravelli, konnte ich nicht mehr schließen. Aber ich brauche sie auch nicht. Mein Glück liegt bei meiner Familie.«
    Parvisi ist aufgestanden und streicht der Gattin und dem noch immer im Schlaf lächelnden Livio über die Köpfe.
    Dann tritt er an die Reling und blickt nach Westen, dem Ziel der Reise der »Astra«.
    Der Kapitän fühlt die Erregung des jungen Landsmanns, spürt, daß es jetzt nicht mehr zu dem üblichen Plauderstündchen kommen wird. So verabschiedet er sich bald.
    »Du liebst Pietro noch?« fragt Raffaela und legt die Hand leicht auf den Arm des Mannes.
    »Ja.«
    »Und deine Zeichnung ist wirklich der Grund der Feindschaft zwischen den Gravellis und uns?«
    Luigi blickt sie verwundert, überrascht an, antwortet aber nicht. Da spricht sie einen Gedanken aus, der ihr im Laufe der Erzählung gekommen ist: »Eigentlich nicht ganz glaubhaft, zu geringfügig. Wegen einer Anspielung auf Vergangenes läßt man doch eine gute Bekanntschaft, eine Freundschaft nicht zerbrechen. Entweder hast du etwas verschwiegen, absichtlich nicht davon sprechen wollen – denn Kapitän Civone ist ein Fremder, der es nicht zu wissen braucht –, oder auch dir ist nicht alles bekannt. Jedoch, das glaube ich nicht.«
    »Warum nicht, Raffaela?«
    »Weil es keine Geheimnisse zwischen deinem Vater und dir gibt. Und – du hast einen Satz nicht zu Ende ge-führt. Wie war er doch gleich? So ähnlich: Wir handeln nach anderen Grundsätzen als Gravelli, der… Bitte, sprich weiter. Was hast du denn? Du störst Livio! – Ach, du!« Luigi hat sich über sie gebeugt und sie geküßt.
    »Du bist eine verteufelt kluge Frau, Liebes. Eigentlich sollte man dir den Mund immer so schließen; aber da es nicht geht, muß geantwortet werden. Spaß beiseite. – Du hast recht, Raffaela. Die Zeichnung ist nicht der erste und alleinige Grund für den Bruch; sie mag geholfen haben, ihn zu verstärken. Am gleichen Tage, als ich Pietro zeichnete, war Agostino bei Vater gewesen und hatte ihm die Teilnahme an einem außergewöhnlichen Geschäft angeboten, das er allein nicht durchführen konnte.
    Es war schlau aufgebaut, bis in alle Einzelheiten durchdacht, ein
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