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Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen

Titel: Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
Autoren: Alisha Bionda
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sie wieder ins Gleichgewicht. So ging es hin und her. Mal schlug die Waage nach der einen, mal nach der anderen Seite aus. Am Ende waren die Säcke von Tod und Teufel fast leer. Jeder hatte nur noch eine Tat, die er in die Waagschale werfen konnte.
    Der Tod legte Lord Ruthvens Bereitschaft, hier und heute für Silvies Seele und ihr Leben das seine zu geben, auf die Waage. Sie sank bis zum Boden nieder. Ein Lächeln huschte über sein knochiges Gesicht. »Es sieht so aus, als würde der Lord mit mir kommen und seine Liebste leben«, sagte er.
    »Einen Moment noch«, widersprach der Teufel. »Ich habe hier noch eine Kleinigkeit.«
    Er öffnete seinen Sack und zog ein in Leinen gewickeltes Bündel hervor. Ruthven erkannte es sofort. Das erste Baby, dessen Blut er getrunken hatte. Sein Tod konnte doch nicht schwerer wiegen als der Tod der anderen Säuglinge.
    Der Teufel legte das Kind auf die Waage und trat erwartungsvoll zurück. Langsam glitten die Schalen ins Gleichgewicht, verharrten dort einen Moment. Die Nadel der Waage zitterte und bewegte sich dann kaum merklich. Eine Schale senkte sich. Die Waage der Schuld mit dem Baby darin. Das Urteil war gefällt.
    »Ich bin unsterblich«, begehrte Ruthven auf und bleckte die Zähne. »Keiner von euch wird mich kriegen, wenn ich es nicht will. Nur für sie bin ich bereit, mich selbst zu opfern.«
    Doch seine Gegenüber blieben beide unbeeindruckt. Der Teufel schlug lediglich mit den schwarzen Schwingen, und Ruthven wurde von dem Luftwirbel, der entstand, auf seinen Stuhl zurückgeworfen. Der dunkle Engel lachte höhnisch, während Gevatter Tod einen Schritt zurücktrat und die Entscheidung der Waage annahm.
    »Wie unsterblich Ihr seid, bestimmen andere«, klärte er Ruthven auf. »Euch wurde durch einen Fluch Unsterblichkeit geschenkt, doch niemand sagte, dass dies für immer sei. Wenn Eure Stunde gekommen ist, so könnt Ihr nichts dagegen tun. Zahlen müsst Ihr mit Eurer Seele. Fragt sich nur, an wen. Und dies hat die Waage entschieden.« Der Teufel grinste breit. »Gevatter, Ihr habt verloren. Stimmt Ihr mir zu? Gehört er mir?«
    Einen Moment zögerte der Tod noch, warf einen nachdenklichen Blick auf seine Sense und auf Ruthven. Dann nickte er. »Die Sünden wiegen schwerer. Er ist Euer.«
    Lautlos verschwand der Sensemann im Nirgendwo. Ruthven blieb allein mit dem Teufel zurück, dem er seine Seele für eine leere Hoffnung ohne Sinn verpfändet hatte.
    »Nun denn, lasst uns aufbrechen«, sprach der Gehörnte.
    »Aufbrechen? Wohin? Ich gehe nirgendwo mit Euch hin.«
    Der Teufel lächelte. In seiner Hand erschien ein silbernes Seil, und ehe sich Ruthven Wallham versah, wand sich das hauchfeine Gewebe um seine Handgelenke. »Ihr werdet mir folgen. So oder so. Auf Eure allerletzte Reise. Der Tod wird sich ein anderes Leben holen.«
    * * *
    Ein Wagen jagte die Serpentinen des Hügels hinauf. Die Fahrerin trat das Gaspedal weiter durch, die Tachonadel näherte sich der 70-Meilen-Markierung. Sie konnte ihn nicht vergessen. Seinen Blick im Foyer. Da war ein Erkennen. Julie glaubte an Seelenpartner und daran, dass man sie in jedem Leben wiederfand. Es hatte sie eine Woche gekostet, herauszufinden, wer der Mann war, der sie so eindringlich gemustert hatte und dann sofort und spurlos verschwunden war. An diesem Morgen hatte sie erfahren, dass er vor zwei Monaten das große Anwesen oben auf dem Hügel gekauft hatte. Ruthven Wallham. Der Name löste etwas in ihr aus, aber sie konnte es nicht greifen. Ein einziger Gedanke beherrschte sie: Sie musste zu ihm. Das Heck des Wagens brach auf der schneebedeckten Fahrbahn aus, aber Julie fing ihn wieder ab. Ihr Herz pochte, Adrenalin pumpte durch ihre Adern.
    Ruthven.
    Wer bist du, Ruthven?
    In der nächsten Kurve stellte sich der Wagen quer, sie riss noch das Lenkrad herum, trat instinktiv die Bremse – was sich als Fehler erwies. Das Auto schleuderte, drehte sich um die eigene Achse und durchbrach die Leitplanke. Dreißig Meter in der Tiefe schlug es auf den Fels und explodierte. Julies letzter Gedanke war, dass sie nie erfahren würde, wer Ruthven Wallham war.
    * * *
    Sie hörten die Explosion, und das Grinsen des Teufels ließ keinen Zweifel. »Auch diesmal konntet Ihr sie nicht retten. Denn eines habt Ihr vergessen bei unserem Pakt. Wenn Ihr sie erkennt, erkennt sie Euch auch. Ihr könnt sie nicht vor Euch schützen.«
    Die Erkenntnis sickerte wie heißer Teer in Ruthvens Verstand. Er hatte sie wieder getötet, und dieses Mal für
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