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Unter deutschen Betten

Unter deutschen Betten

Titel: Unter deutschen Betten
Autoren: Justyna Polanska
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ordnen, dass alles in den Regalen ordentlich aussah; bis heute genieße ich es, wenn ich nach getaner Putzarbeit noch einmal durch die Räume gehe und meinen Blick über all die Ordnung schweifen lasse. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
    Ich glaube, dass viele Leute, für die ich putze, mich darum beneiden würden, wenn sie sich vor Augen führten, dass am Ende meiner Arbeit immer ein Ergebnis steht, das man sehen kann.
    Viele haben das nicht auf ihrer Arbeit.
    Das ist ein weiteres der Privilegien, die wir Putzfrauen haben.
     
    Ich wollte schon, solange ich denken kann, etwas Besonderes mit meinem Leben anfangen, etwas tun, was mir Spaß macht. Und an diesem Tag im August 1998, als ich gerade mitten in meinem Zimmer stand, entschloss ich mich, meine Heimat zu verlassen.
     
    Es gab keinen Moment des Zögerns.
     
    Heimlich nahm ich mir die Zeitung meines Vaters vom Küchentisch. Ich wollte niemanden beunruhigen, und auf endlose Gespräche mit meinen Eltern hatte ich keine Lust. Im Infoteil der Zeitung, sie hieß »ABC«, fand ich eine Anzeige, an die ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen; dort stand in fetten Großbuchstaben auf Polnisch:
Willst Du ein anderes Land, andere Menschen und eine andere Kultur kennenlernen? Ruf an!
    Die angegebene Telefonnummer begann mit 0049. Mir war klar: Das war ein Anschluss in Deutschland. Mir hat sich diese Anzeige so sehr ins Gedächtnis gebrannt, weil sie mir die Erfüllung meiner Träume versprach: Alles anders. Alles neu.
     
    Bloß nicht so enden wie meine Mutter in einem Bekleidungsgeschäft in Leszno. Heute übrigens wohnt meine Mutter vier Straßen von mir entfernt ebenfalls in Deutschland. Noch nicht einmal ihr hat es gefallen, ihr Leben. Aber das ist eine andere Geschichte und die soll ein andermal erzählt werden.
     
    Ich zögerte keinen Moment und wählte die angegebene Nummer von unserem Festnetzanschluss. Handys gab es damals zwar schon, auch in Polen, aber nicht für mich.
     
    Die Leitung knackte.
     
    Ich wollte schon auflegen, da kam nach einiger Zeit endlich ein fremdartiges Tuten, es klingelte.
     
    Ich bekam Angst. Ich konnte ja kein Deutsch.
    Was sollte ich sagen, wenn sich am anderen Ende jemand mit »Guten Tag« meldete? Das war alles, was ich auf Deutsch kannte – neben den Worten »Ja«, »Nein« und »Fenster«. In der Schule hatten wir damals nur Russisch gelernt, also hatte ich mir einen Privatlehrer besorgt, der mir Deutsch beibrachte. Aber weit waren wir offensichtlich nicht gekommen.
     
    Keine Ahnung, warum aus dem Deutschunterricht ausgerechnet »Fenster« hängengeblieben war. Ob es ein Omen war, dass ich Putzfrau werden würde?
    Das Schicksal hat Humor.
     
    Auf der anderen Seite nahm jemand den Hörer ab.
    Eine Frauenstimme fragte: »Halo?«
    Ich war erleichtert: Eine Polin!
    Ich stellte mich kurz vor und erzählte ihr, dass ich diese Anzeige in »ABC« gelesen hätte. Es würde mich interessieren, was dahintersteckt.
     
    Sie bestätigte, dass es sich bei dem »anderen Land« um Deutschland handele. Sie vermittle Au-pair-Jobs. Hier ginge es konkret um eine Familie mit einem Kind in einer Stadt, die Offenbach hieß.
    Sie suchten eine polnische Hilfe.
    Ich würde auf das Kind aufpassen und im Haushalt helfen.
    Für 400 DM im Monat.
    Die Familie würde die Versicherung und die Schule bezahlen.
    Ich würde umsonst bei ihnen wohnen, schlafen und essen.
     
    Leider sei die Familie gerade in Ägypten zum Urlaub; deshalb könne sie die Sache noch nicht festmachen.
    Ich sollte noch eine schriftliche Bewerbung mit Foto schicken, dann würde sie sich wieder bei mir melden.
     
    Im Lauf unseres Gesprächs stellte sich außerdem heraus, dass die Frau aus einem Dorf ganz in meiner Nähe kam und schon vor Jahren nach Deutschland ausgewandert war.
    Sie war vertrauenerweckend und wirkte seriös. Also versprach ich ihr, noch am selben Tag die Bewerbung fertig zu machen, verabschiedete mich und legte auf.
     
    Offenbach!
    Sofort rannte ich zum Bücherschrank. Da stand ein alter Atlas, den ich hastig herauszog. Schnell fand ich Deutschland und suchte diese unbekannte Stadt.
    Es dauerte nicht lange und ich hatte sie gefunden.
    Mein Herz machte einen Sprung. Das war ja gleich neben Frankfurt! Und das klang für mich damals wie »Amerika«, wie »offene, weite Welt«. Da wollte ich unbedingt hin!
    Ich war so aufgeregt, dass ich gleich anfing, meine Bewerbung zu schreiben.
    Am nächsten Tag schickte ich der Frau meine Unterlagen.
     
    Dann musste ich zwei
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