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Unter deutschen Betten

Unter deutschen Betten

Titel: Unter deutschen Betten
Autoren: Justyna Polanska
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gezwungen worden waren.
    Sie waren alle mit der Hoffnung auf ein neues, freies Leben nach Deutschland gekommen – und man hatte nie mehr etwas von ihnen gehört. Was, wenn es mir ebenso ergehen würde?
     
    Ich entschloss mich, die Panik nicht groß werden zu lassen. Ein weiterer Grundsatz, den ich in meinem Leben früh beherzigte. Ich schließe dann die Angst weg und versuche, die Situation pragmatisch zu sehen. Es gibt immer einen Ausweg.
     
    Aber zunächst wurde es noch bedrohlicher.
    Gargamel stand auf, kam auf mich zu, nahm mich am Arm und zog mich auf den Flur.
    Mein Herz pochte wild, mein Körper spannte sich an, um sich auf die Flucht vorzubereiten.
    Ich war dem Mann ausgeliefert.
    Jetzt würde er mich ins Schlafzimmer zerren und …
     
    Ich war starr vor Angst.
     
    Aber statt die Treppe hinaufzugehen, näherten wir uns der Haustür. Gargamel öffnete sie, und wir standen im hellen Sonnenschein. Mein Körper entspannte sich schlagartig.
    Da waren Menschen auf der Straße. Hier würde mir nichts passieren.
    Er zog mich am Arm zu seinem Auto, das er an der Straße geparkt hatte.
    Wieder stieg Angst in mir hoch.
    Wo wollte er hin mit mir? Alle möglichen Szenen gingen mir durch den Kopf. Was wollte dieser fremde Mann bloß von mir? Warum hatte Magdalena mich nicht gewarnt? Sollte ich weglaufen?
     
    Aber Gargamel begann, beruhigend auf mich einzureden. Er lächelte. So sah doch kein Vergewaltiger aus.
    Oder doch?
    Woher sollte ich denn wissen, wie einer aussah? Ich war so unerfahren damals. Heute könnte ich die Situation sicher besser einschätzen.
     
    Damals ängstigte ich mich zu Tode.
     
    Wir stiegen in den Wagen, und Gargamel fuhr los.
    Ich sah die vielen alten Villen an uns vorbeiziehen, konnte aber wegen meiner Angst ihre herrschaftliche Schönheit ganz und gar nicht schätzen.
    Ich war verloren zwischen Geisterschlössern in einem fremden Land.
     
    In einer Seitenstraße kam das Auto zum Stehen. Wir stiegen aus. Gargamel klingelte an einem Mehrfamilienhaus, an der Sprechanlage meldete sich eine Frauenstimme.
    Mir fiel ein Stein vom Herzen.
    Die Tür wurde geöffnet, und wir gingen die Treppe hinauf in den fünften Stock bis unter das Dach. Alles war hell und sauber.
     
    Oben stand die Frau, zu der die Stimme offenbar gehörte, schon in der offenen Wohnungstür. Sie begrüßte uns und stellte sich mir kühl und ohne Lächeln vor, ihr Name war Birgit.
    Da verstand ich plötzlich: Das war also Frau Gargamel, und sie hatte heute Geburtstag.
    Ich war unendlich erleichtert.
     
    Trotz der distanzierten Art der Frau betrat ich voller Freude ihre Wohnung. Die war so ganz anders als das dunkle, alte Haus von Gargamel: Die Wände weiß, der Boden aus hellem Holz, die Einrichtung in leichten, warmen Erdtönen.
    Überall schöne Kissen, Decken, Vasen, Kerzen und Pflanzen. Man sah, dass hier eine Frau wohnte. Große Fenster ließen den Tag herein. Hier gefiel es mir.
     
    Birgit arbeitete als Stewardess oder »Flugbegleiterin«, das korrekte deutsche Wort dafür, wie sie mir erklärte. Wenn sie im Einsatz war, lieferte sie Alexandra, das gemeinsame Kind, bei Gargamel ab. Mein Auftrag war also, auf Alexandra aufzupassen, wenn sie beim Vater war.
    So weit hatte ich verstanden.
    Die beiden Eltern zogen sich nun ins Gespräch vertieft in die Küche zurück und überließen die Dinge – also mich – sich selbst.
    Alexandra hatte sich schnurstracks hinter dem Sofa versteckt, als sie mich zur Tür hereinkommen sah. Sie war auch durch gutes Zureden nicht dahinter hervorzulocken.
     
    Also beschloss ich, es erst einmal sein zu lassen und mir das Kinderzimmer anzuschauen. Zwar war ich von der Fülle der Spielsachen etwas überrascht, aber letztendlich war es nicht so anders, als mein Zimmer früher gewesen war: Die Wände waren rosa gestrichen, ein Schrank, ein Tisch und ein Bett.
    Alexandra war sieben Jahre alt. Hier wohnte eine kleine Prinzessin. In jeder Hinsicht.
     
    Später gab es Mittagessen. Ich war glücklich. Fleisch, Kartoffeln und Salat. Wie in Polen.
    Als wir wieder fuhren, saß die Kleine immer noch hinter dem Sofa.
     
    Das konnte ja lustig werden.

Queen Alexandra
    V ier Tage nach meiner Ankunft und dem holperigen Vorstellungstermin bei meinem neuen »Pflegekind« eröffnete mir Gargamel, dass er am nächsten Tag mit seiner Ex-Frau, der Flugbegleiterin, für ein paar Tage in Urlaub fliegen würde.
    Ich würde mit dem Kind auf mich allein gestellt sein.
    Nicht nur ich wurde damit rüde ins kalte
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