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Unter der Hand (German Edition)

Unter der Hand (German Edition)

Titel: Unter der Hand (German Edition)
Autoren: Dagmar Leupold
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wenn dieser nur ideell ist. Ich müsste mir lediglich noch einige Redewendungen im Italienischen zurechtlegen, die Beine rasieren und eine Allergie gegen Meeresfrüchte erfinden (denn über Grottenmolche und ähnliches Getier soll geschwiegen werden), dann wäre ich einsatzbereit.
    Einen heißen Saharawind hat die Wetterfee am gestrigen Abend im italienischen Staatsfernsehen angekündigt, mit nasaler Stimme, die vermutlich von einer Nasenbegradigungsoperation kommt, und mit verheißungsvollem Unterton, heiße Ware, dieses Wetter, heiße Nächte, beziehungsreiches Zwinkern, Sand nur in der Luft, nicht im Getriebe, ach ja, wo wir schon bei Trieben sind! Das Fernsehen scheint von Zuhältern betrieben zu werden, die ihre Lockvögelchen mit geputztem Gefieder aussenden, auf dass sie über Wetter, Politik, Ehebrecher, Papst und Kochrezepte so lange im Sopran des Gleichklangs zwitschern, bis die Freier vor dem Schirm ganz unfrei erliegen. So stellt man sich den idealen Wähler vor: Mit verschlucktem Souffleur.
Embedded prompter
.
    Jedenfalls, der heiße Wind weht nun und schickt tatsächlich einige Sandkörnchen, die im aufgeschlagenen Notizbuch die Ritzen füllen. Die sonst so blassen Seiten erröten. Und ich sollte nicht so herumposaunen. Wer weiß, welche Einflüsterer in meinen Gehörgängen ihr Unwesen treiben!
    Im Grunde ist mir rätselhaft, was Vico bewegt, ausgerechnet mich als Glücksmissionarin und Freudenbringerin auszusenden und zu verlangen, dass ich von meinen Einsätzen Zeugnis ablege. Gewissermaßen eine Mitschrift anfertige. Ich glaube, der wahre Missionar ist er, er erträgt nicht, dass jemand ein Scheitern nicht nur einräumt, sondern sogar zur Maxime erhebt. Vermutlich hat er einschlägige Erfahrungen und wünscht nun Dementi. Er unterstützt mich, damit er recht behält: Seiner Meinung nach beruht Scheitern auf Missverständnissen, auf fehlender Synchronisation; wenn es einem gelingt, erstere auszuschließen und letztere zu erreichen, folgt daraus – Erfolg! Er formuliert Kalendersprüche wie
Niederlagen machen Männer stark und Frauen schön
oder
Siehst du ein Hindernis – dann begehre es!
, aber zur Stunde kann er mich kaum als Beleg für seine forschen Annahmen führen: Mein Profil ist schaurig, meine Arme und Beine zu kurz, mein Kopf zu groß, mein Ehrgeiz zu klein. Ich war zwei Jahre lang stolze Besitzerin einer
Moto Guzzi
, mit der ich Schräglagen zu bewältigen lernte, und als ich mir einmal einen Motorradhelm kaufen wollte, musste ich in die Männerabteilung. Wenn ich Hindernisse begehren statt meiden wollte, dann müsste ich vierundzwanzig Stunden am Tag begehren. Bei den Hindernissen, die mir begegneten und begegnen, wäre das ein echtes Kunststück. Aber nun gibt es Vico. Kein Prinz, nein, eher ein Politiker und Menschenfreund, Menschensohn, wie er in leichter Überhöhung seiner Person einmal meinte, ein Kaufmann, zuhause auf allen Schwarzmärkten dieser Welt, ein bester Freund der besten Freundin und darum
im Auftrag
um mich besorgt: Ich soll genesen oder besser gesagt, gefeit in mein Leben zurückkehren, aus dem ich, vorübergehend, in die schwarze Grube gefahren war, in der es keine Schätze zu heben gibt. Wie seinerzeit der junge Joseph in den Brunnen. Ich brauchte keine missgünstigen Brüder dafür – meine eigenen Gespenster reichten aus. Nach dieser Schwarzfahrt steht mir, wie jedem anderen Delinquenten auch, eine Rehabilitationsmaßnahme zu, schließlich lässt sich Schwarzgalligkeit kurieren, so die feste Überzeugung all derer, die den Mohren in mir zu waschen versucht haben. Pardon, Vico, das war mit Sicherheit zu viel Wortspielerei gerade? Musste aber sein.
    Das Ende dieses therapeutischen Toskana-Aufenthalts ist abzusehen, ein, zwei Überlegungen zur Strategie des
Danach
sollte ich wohl anstellen. Während ich mich anschicke, dies zu tun, schmilzt mir noch auf der Zunge die warme Mascarponetorte, die der unvergleichliche Koch gestern Vico und mir als Dessert kredenzte. Sie schmeckte (und schmolz dahin) wie ein Versprechen, eine Zusage, ein unschuldiges Ejakulat. Ein sahniges Ja zum Leben, ein halbflüssiges Gebet. Himmlisch.
    Wahrscheinlich werde ich den Vergleich mit dem Ejakulat streichen müssen, wenn ich dies Vico vorlege; vorerst lasse ich ihn stehen. Hat nicht Vico gesagt, schreibe, was du willst, aber werde gesund? Das
und munter
hat er mich innerlich ergänzen lassen; er weiß als gelernter Katholik, worauf er sich bei einer Protestantin verlassen kann. Nicht aus
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