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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum
Autoren: Ines Thorn
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können.«
    Amber runzelte die Stirn und sah auf ihren Teller.
    »Du magst Steve nicht, oder?«, fragte der Vater.
    Amber zuckte mit den Achseln. »Vielleicht verstehe ich ihn nur nicht«, erwiderte sie.

3
    Wenig später verließ sie mit ihrem Vater das kühle Gutshaus. Amber musste die Augen mit der Hand beschirmen, denn die Sonne schien so grell, dass es schmerzte.
    Schon jetzt flimmerte die Hitze über dem Boden, dass es aussah, als würde die Luft schwimmen.
    Amber trug eine alte, kakifarbene kurze Hose und ein weißes Shirt, unter dem sich der Büstenhalter abzeichnete. Auf dem Kopf tänzelte ein Strohhut.
    »Alles unser Land – so weit du sehen kannst«, erzählte Walter stolz. »Seit hundert Jahren in Familienbesitz. Und jede neue Generation hat den Ertrag gemehrt und den Besitz vergrößert. Heute sind wir die drittgrößten Gutsbesitzer in der Gegend.«
    Er sah Amber an. »Und du, da bin ich ganz sicher, wirst ebenfalls erfolgreich sein und unseren Wohlstand mehren.«
    »Warum?«, fragte Amber. »Warum ist das wichtig?«
    Walter sah seine Tochter verständnislos an. »Alle machen das. Jeder möchte seinen Besitz vermehren. Das liegt in der Natur der Menschen.«
    Amber schüttelte den Kopf. »Nein, nicht in der Natur der Menschen, sondern in der Natur der Weißen. Die Aborigines wollen ihr Land behüten. Sie wollen, dass es so bleibt, wie es ist.«
    Jordan seufzte. »Das ist kein Fortschritt, keine Entwicklung. Die Aborigines sind nicht umsonst so zurückgeblieben. Obwohl sie angeblich schon seit über fünfzigtausend Jahren hier leben, haben sie noch nicht einmal eine eigene Schrift und eine einheitliche Sprache. Wären sie auf Entwicklung bedacht gewesen, hätten sie ihr Land niemals an die Weißen verloren.«
    Amber schüttelte verärgert den Kopf. »Willst du die Schwarzen dafür verantwortlich machen, dass die Weißen ihnen das Land genommen haben?«
    Walter seufzte und sagte wie zu sich selbst: »Vielleicht war es ein Fehler, dich so eng mit den Aborigines aufwachsen zu lassen. Sie sind anders als wir.«
    »Ja«, bestätigte Amber. »Das sind sie, aber sie sind nicht schlechter.«
    Sie waren während des Gesprächs langsam auf das Hüttendorf zugegangen. Jetzt flog eines der Holzbretter, die als Türen gedacht waren, auf, und ein schlaksiger Junge torkelte über den Platz.
    »Joey«, rief Walter. »Hast du schon wieder getrunken?«
    Der Junge stieß einen Fluch in der Sprache seines Stammes aus und verschwand hinter einem Busch.
    Walter sah ihm nach, dann wandte er sich an die Männer, die unter dem Teebaum saßen und das Mittagessen zu sich nahmen. Obwohl Walter ihnen angeboten hatte, die Mahlzeiten aus dem Gutshaus bringen zu lassen, hatten die Ureinwohner darauf bestanden, die Dinge zu essen, die sie gewohnt waren: große Maden, die nach Nüssen schmeckten, Jamswurzeln, Samen und Früchte und als besondere Delikatesse Honigameisen.
    Orynanga bot Walter höflich den Platz neben sich an und legte seine Jacke auf die Bank, damit Amber weich sitzen konnte.
    Am liebsten hätte ihr Vater Orynanga sofort auf Joeys Trunkenheit angesprochen, doch Amber wusste, dass die Gespräche mit den Aborigines sehr umständlich begannen.
    Walter nahm Platz und sah zufrieden zum Himmel hinauf. »Der Sommer scheint in diesem Jahr länger zu dauern«, sagte er.
    Orynanga wiegte den Kopf hin und her. »Zwei Wochen noch, dann ist er vorbei. Ich kann den Herbst schon riechen. Der Wind hat sich gedreht. Er kommt jetzt aus Süden und wird bald weiteren Regen bringen.«
    Beide Männer nickten bedächtig.
    »Wir werden morgen mit der Lese beginnen«, sprach Walter weiter.
    »Wir sind bereit, Master.«
    Dann sah Orynanga zu Amber: »Es ist schön, Missus, dass Sie wieder da sind. Das Gut ohne Amber ist wie eine Blumenwiese ohne Schmetterlinge.«
    Amber dankte für das Kompliment, dann stand sie auf, ging zu den Aborigine-Frauen und erkundigte sich nach den Kindern und nach Krankheiten, Schwangerschaften und anderen Frauenangelegenheiten.
    Sie saß im Kreis mit den Frauen, doch ihre Augen suchten nach Jonah. Sie lauschte den Gesprächen, doch ihre Ohren waren auf der Suche nach Jonahs Stimme.
    Und dann kam er. Kam um die Ecke getanzt, die nackten Füße in Sandalen, die über der Erde zu schweben schienen. Sein Gesicht zeigte einen versunkenen Ausdruck, doch als er Amber bei den Frauen sitzen sah, überzog ein Lächeln sein Gesicht, das mehr aussagte, als Worte es vermocht hätten.
    Die Frauen schwiegen plötzlich und sahen zu
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