Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond
Autoren: N Vosseler
Vom Netzwerk:
schob sie sich beschämt von ihm weg, weil sie fürchtete, ausgelacht zu werden. Aber Richard schaute sie nur erstaunt, fast ein wenig ratlos an. Dann zog er sie wieder zu sich heran. Sein Mund so dicht an ihrem Ohr, dass die langen Enden seines Bartes sie mit jedem Laut zart kitzelten, flüsterte er zurück: »Das ist ein sehr überraschender und informeller Antrag, den du mir da machst, Majoschka.« In seiner Stimme vibrierte es vergnüglich. »An mir als Ehemann würdest du allerdings wenig Freude haben – das solltest du dir noch einmal gründlich überlegen! Ich werde aber gerne darauf zurückkommen, wenn wir uns wiedersehen. In der Zwischenzeit«, er hielt sie von sich weg und tippte mit seinem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze, »mach brav die Aufgaben, die dein Vater dir gibt. Du weißt, ich mag keine dummen Frauen! Und ich werde dir schreiben, so oft ich kann. Einverstanden, kleine Lady?« Maya nickte wie betäubt, und Richard erhob sich.
    »Danke, Professor. Für alles.« Die beiden tauschten einen kurzen, kräftigen Händedruck. »Nein, bemühen Sie sich nicht, ich finde allein hinaus.«
    In einem Gefühl völliger Ohnmacht, ihre eiskalten Finger in die warme Hand ihres Vaters geschoben, sah Maya zu, wie Richard Burton die Treppe hinabeilte und einfach aus ihrer kleinen Welt verschwand.



 
    Narren stürzen vorwärts, wo Engel leise treten.
    A LEXANDER P OPE
    »Narren stürzen vorwärts, wo Engel leise treten!«
Engel und Narren sind sich darin gleich,
zu folgen ihrer Natur Gebot,
ohne Hoffnung auf Lob, ohne Furcht vor Tadel.
    R ICHARD F RANCIS B URTON
The Kasidah of Haji Abdu El-Yezdi

1
    Oxford, kurz vor Weihnachten 1853
     »Maya! Komm auf der Stelle zurück! Ich bin noch nicht fertig mit dir! Maya! « Martha Greenwoods Stimme überschlug sich beinahe, stach schrill von der Galerie im obersten Stockwerk bis in den letzten Winkel von Black Hall.
    »Ich aber mit dir, Mutter«, presste Maya hervor, als sie die Treppen hinabpolterte und sich ihr Schultertuch überwarf.
    Unten in der Halle stieß sie um Haaresbreite mit Hazel zusammen, die gerade noch das Tablett mit Tee und Biskuits retten konnte, das sie vor sich hertrug. Bestürzt sah das Dienstmädchen Maya hinterher, wie sie grußlos an ihr vorüberrannte, die verglaste Tür zum Garten hinter dem Haus aufriss und hinausstürmte. Ein eisiger Wind strömte in die Halle, und der Luftzug wirbelte ein paar Schneeflocken über die Schwelle. Hazel lauschte. Oben waren gedämpft die noch immer erregte Mrs. Greenwood zu hören und Miss Angelina, die beruhigend auf ihre Mutter einredete. Seufzend setzte Hazel das Tablett auf dem Beistelltischchen neben der Treppe ab. Den Türknauf in der Hand, sah sie zu, wie Maya durch den verschneiten Garten stapfte und stolperte: ein Schattenriss aus dunklem Tuch im trüben Licht des Winternachmittags, jeder Schritt sichtbar ein Ausdruck von Wut und Rebellion.
    »Armes Ding«, murmelte Hazel mitfühlend. »Die Gnädige macht es ihr derzeit aber auch wirklich nicht leicht.« Sanft schloss sie die Tür und beeilte sich, den Tee hinaufzubringen, ehe er abkühlte.
    Wütend trat Maya Schneehäufchen vor sich her, unbeeindruckt davon, dass Schuhe und Rocksäume durchnässt wurden. Erst vor dem alten Apfelbaum blieb sie stehen, fegte die dünne Schneeschicht auf der Sitzfläche der Schaukel beiseite, der sie längst entwachsen war, und ließ sich darauf fallen. Die Arme fest um sich geschlungen, die Hacken in den gefrorenen Boden gebohrt, wippte sie vor und zurück und zog die Stirn kraus. Tapfer blinzelte sie alle Tränen fort, die ihr in den Augen brannten, und starrte vor sich hin. Es war so ungerecht!
    Aus dem viereckigen Ausschnitt ihres Kleides zog sie den Brief hervor, den sie ihrer Mutter vorhin entrissen hatte und der die heutige Auseinandersetzung heraufbeschworen hatte. Nachdenklich wog sie ihn in den Händen, ehe sie ihn entfaltete.
    Cairo, den 4. Dezember 1853, Shepheards’ Hotel
    Mein Kätzchen,
    sei unbesorgt – es war nichts Ernstes, was mich aufs Lager zwang, als ich Dir zuletzt schrieb, doch nichts, was einer jungen Dame mitzuteilen ziemlich wäre. Ich fühle mich schon besser und stärker, und das mag auch an Deinen Zeilen liegen, liebste Maya.
    Ich konnte die mir aufgezwungene Bettruhe nutzen, indem ich an den Skizzen etc. arbeitete, die ich in Mekka und Medina angefertigt habe; hier gibt es Künstler, die mir dabei helfen können, in Indien nicht. Die Notizen zu meiner haj, meiner Reise in der Verkleidung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher