Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau
Autoren: Christian Limmer
Vom Netzwerk:
Sheriffs.«
    Olli war erleichtert, dass sich Beppo nur einen Scherz erlaubt hatte. »Genau. Sollen die’s doch zählen.«
     
    »Dreitausendfünfhundertfünfzig.« Schorsch Kramer legte den letzten Fünfziger mit seiner mächtigen Pranke auf die anderen Geldscheine. Der Statur nach erinnerte er an einen Braunbären, seine Haltung etwas gebeugt, als wollte er aus Rücksicht die anderen nicht überragen. Alles an ihm wirkte schwer und massig, von den weißwurstdicken Fingern über den wuchtigen Bauch bis zum Dreifachkinn, das seinen Kopf ohne sichtbaren Hals auf dem Oberkörper sitzen ließ.
    Seine kindlichen Knopfaugen schauten Beppo und Olli an, die vor dem Tresen in der Polizeistation Niedernussdorf standen. »Dafür muss eine alte Frau lange Holz hacken.«
    Seine Kollegen, Wachtmeister Richard Hafenrichter und Wachtmeister Erwin Huber, richteten ihren Blick ebenfalls auf die beiden Jungs. Die fühlten sich etwas unbehaglich angesichts dreier Uniformierter, die sie wie Verbrecher zu mustern schienen.
    »Wir haben die gefunden, ehrlich«, fühlte Olli sich bemüßigt zu erklären. »Wir klauen nicht.«
    Keiner der Streifenbeamten sagte ein Wort. Ihre Blicke drückten wie Mühlsteine auf das Gewissen der beiden Jungs.
    »Sonst hätten wir das doch nicht hergebracht«, unterstützte Beppo seinen Freund.
    Die drei Polizisten starrten die Kinder weiter stumm an. Jeder schien zu überlegen, was er sagen sollte, und bei jedem geschah das in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und mit unterschiedlichem Ergebnis. Erwin, der Schnellste unter ihnen, beugte sich vor.
    »War da noch was?«
    »Wie, war da noch was?«
    »Da, wo ihr das gefunden habt. Habt ihr da noch was gefunden?«
    Erwin erinnerte in diesem Moment an einen Wolf, ein Eindruck, der durch seine dichten Augenbrauen im schmalen Gesicht mit der kleinen Nase noch verstärkt wurde. Seine dunklen Augen fixierten die beiden Jungs finster. Erwins Grundhaltung war von Misstrauen geprägt, und sein gedrungener Körper schien immer angespannt und zum Angriff bereit. Beppo und Olli ließen sich davon nicht beeindrucken.
    »Wenn wir noch was gefunden hätten, hätten wir’s mitgebracht«, polterte Olli frech zurück.
    »Das kommt drauf an«, mischte sich Schorsch ein, was ihm einen schrägen Seitenblick Erwins einbrachte. Der hatte es gar nicht gern, wenn man sich in seine Befragung einmischte, und schon gar nicht, wenn es Schorsch war. Die beiden Kollegen verband seit der Grundschulzeit eine unverbrüchliche Hassliebe. In der zweiten Klasse hatte sich herausgestellt, dass Erwin unter einer Schreibschwäche litt. Buchstabendreher, vergessene Buchstaben, fantasievolle Eigenkreationen trieben Lehrer und Eltern zur Verzweiflung. Schließlich hatte es dazu geführt, dass Erwin auf eine Sonderschule kam. Mit dem sogenannten Depperlbus musste er fünf Kilometer ins benachbarte Grünharding fahren, wo sich speziell geschulte Pädagogen seiner annahmen.
    Schorsch, der in der Schule immer ein Musterschüler gewesen war, verlieh Erwin den Titel geistiger Tiefflieger, was eines Tages zu einer Schlägerei führte, bei der Erwin zeigte, worin er wirklich gut war. Im Handfesten. Sein Oberstübchen war vielleicht etwas unterentwickelt, dafür hatte er, trotz seiner Kleinwüchsigkeit, eine unheimliche Kraft. Schorsch kam an jenem Abend mit zwei Milchzähnen weniger nach Hause, und Erwin hatte entdeckt, was ihm Spaß machte. Boxen. Henry Maske wurde sein Vorbild, dem er auch jetzt noch nacheiferte. Im Wohnzimmer hing ein Boxsack, den er regelmäßig traktierte, er trank jeden Morgen einen Eiweißdrink, und in den virtuellen Boxkämpfen im Internet belegte er stets einen der vorderen Plätze.
    »Auf was?«, fragte Beppo Schorsch herausfordernd.
    »Wie groß und schwer das war«, erwiderte Schorsch. Richie, die Lider von der vergangenen Nacht noch auf Halbmast, drehte seine Augen mit Mühe Richtung Schorsch. Worauf wollte der Dicke hinaus? Bevor er diesen Gedanken zu Ende denken konnte, schoss Schorsch bereits die nächste Frage ab.
    »Vielleicht hat das Geld ja neben einer Leiche gelegen.«
    Alle glaubten, sich verhört zu haben. Sie starrten Schorsch an, der sich zu einer Erklärung verpflichtet fühlte. »Die zwei haben uns schon mal Arbeit gemacht.«
    Keiner reagierte. Jeder wusste, dass er auf den abgebissenen Finger vom letzten Jahr anspielte, der einen besonders grausamen Mord nahegelegt hatte. Das ganze Dorf hatte sich damals in heller Aufregung an der Opfersuche beteiligt. Wie sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher