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Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen

Titel: Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Autoren: Mina Hepsen
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Ohr.
    Lea schenkte dem Mädchen ein letztes Lächeln und wandte sich von der Bar ab.
    »Wo ist er?«
    »Da drüben, an den VIP-Tischen. Siehst du die Kleine in dem Kimono-Verschnitt?«
    Die bezeichneten Tische befanden sich auf einer erhöhten Plattform auf der anderen Seite der Tanzfläche. Jeder Tisch war in eine halbkreisförmige Sitznische eingepasst, und auf jedem stand ein Eimer mit Eiswürfeln, in dem Wodkaflaschen steckten.
    Da war das Mädchen, das Carlos, das Gespenst, gemeint hatte. Kimono- Verschnitt, ja das passte, denn das Kleidchen reichte der Kleinen kaum über den Po. Eher ein Wickel T-Shirt, überlegte Lea.
    »Ah ja, ich sehe sie.«
    »Der Mann, der ihr gegenübersitzt, in dem schwarzen Seidenhemd mit dem offenen Kragen und dem Goldkettchen, das ist er!«
    Lea holte ihren Blackberry hervor, betätigte den Kameramodus und drückte auf zoomen. Sie zögerte kurz, dann zwängte sie sich durch die Tanzenden, um noch ein wenig näher an die Tische heranzukommen.
    »Du bist absolut sicher, dass das der Mann aus den Flamingo Residences ist, der die kleine Asiatin erschossen hat?«
    »He, ich geistere da schon seit zehn Jahren rum, ich kenne dort jeden Stein! Und das ist der erste Mord, bei dem ich Zeuge war - außer meinem eigenen, natürlich. Ne, das Gesicht von dem Kerl vergesse ich nicht so schnell! Ich sage dir, das ist er! Ich hab gehört, wie er mit seinen Amigos telefoniert und sich hier mit ihnen verabredet hat. Und da ist er!« Carlos klang ehrlich empört, und Lea glaubte ihm.
    Gut. Dann musste sie jetzt nur noch ein Foto machen und es an ihren Boss schicken. William hatte einen anderen Agenten bereitstehen, der den Fall von da übernehmen würde. »Unser Medium«, so wurde sie von Sybil genannt, und das stimmte ja auch. Lea hatte sechs Monate Training hinter sich; das hier war schon ihr dritter Auftrag.
    Sie war sozusagen Kundschafter der Truppe. Sie reiste an, suchte geisterhafte Zeugen für das jeweilige Verbrechen und leitete die Informationen dann an die Friedenshüter-Kollegen weiter.
    Dies war der erste Auftrag, bei dem der Geist tatsächlich Zeuge des Mordes geworden war. Wenn er recht hatte, dann war die Lösung dieses Falls ein Kinderspiel.
    Lea tanzte zur Mitte der Tanzfläche, hob das Handy ans Auge, nahm das Gesicht des Mörders ins Zielkreuz und drückte ab.
    Klick.
    Sekunden später hatte sie das Foto bereits mit einer kurzen Bemerkung an William verschickt: Das ist er.
    Nur ein paar weitere Sekunden später vibrierte ihr Blackberry: Unser Agent ist dran, geh zurück in dein Hotel.
    Sybil ruft dich an.
    Lea verstaute ihr Handy in ihrer Clutch und eilte zum Ausgang. Die feuchtschwüle Nachtluft von Florida legte sich wie eine samtige Decke auf ihre Haut. Vor dem Club hatte sich eine lange Schlange gebildet; man wartete geduldig auf Einlass. Ein Taxi war nirgends zu kriegen, aber das machte Lea nichts aus. Sie war viel zu aufgeregt und daher ganz froh darüber, zu Fuß zurück in ihr Hotel gehen zu können. Sie würde sich erst dann richtig beruhigen können, wenn Sybil angerufen und ihr gesagt hatte, dass alles vorbei war. Tief in Gedanken versunken ging sie an den niedrigen, bunten Häusern im typischen Art-Deco-Stil, der in dieser Gegend verbreitet war, vorbei. Dann bog sie kurz entschlossen in eine schmale Gasse ein und ging, angelockt vom Rauschen der Wellen, hinunter zum Strand.
    Es war ein weiter, breiter Strand, und er lag vollkommen verlassen im Mondschein. Lea streifte ihre schwarzen Heels ab und grub lächelnd die Zehen in den Sand.
    Ihr Hotel lag sowieso am Strand, sie konnte also auch auf diesem viel ruhigeren Weg dorthin zurückgehen.
    Sie hatte kaum ein paar Schritte getan, als jemand ihren Namen rief.
    »Lea!«
    Carlos! Den hatte sie ja ganz vergessen.
    »Carlos, entschuldige! Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt.«
    »Lea, er ist hinter dir!«
    Lea fuhr herum und sah einen Mann aus einer Gasse auf den Strand treten. Ihre Nasenflügel bebten, ihre Augen wurden schmal. Aufmerksam wartete sie ab. Zwei Dinge wurden rasch klar: Es war der Mann, den sie fotografiert hatte.
    Und er wollte sie töten.
    Immer dasselbe.
    »Diesmal ohne Pistole?«, fragte sie, während sie überlegte, welche Möglichkeiten ihr blieben: Entweder sie lief davon und überließ den Rest dem anderen Agenten. Oder sie stellte sich dem Mann. Angreifen durfte sie natürlich nicht, das war ihr als Vampir verboten. Sie musste warten, bis er den ersten Schritt tat. Oder sie konnte versuchen, ihn
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