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Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen

Titel: Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Autoren: Mina Hepsen
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Weiter vorne überquerte ein Grüppchen ausgelassener Mädchen die Straße. Aus den rosa Federboas, den grell geschminkten Gesichtern und der »Brautschleife«, die eine kurzgewachsene Blondine um die üppigen Hüften trug, schloss er, dass es sich um eine sogenannte Hen-Night handelte, das weibliche Äquivalent der Stag-Night oder des Junggesellenabschieds. Auch die Mädchen hatten ihn jetzt bemerkt und kamen, eine Duftwolke aus süßlichem Parfüm, Schweiß und Baccardi-Breezers vor sich hertreibend, auf ihn zu: sechs Paar Highheels, sechs ultrakurze, hautenge Miniröcke, starrten sie ihn mit glasigen Augen und breiten, rotgeschminkten Mündern an.
    Nicht sein Typ. Viel zu oberflächlich. Dennoch verlangsamte er unwillkürlich seine Schritte, denn nun drang ein weiterer Duft in seine Nase, ein Duft, den er viel verlockender fand: der Duft warmen, lebendigen Bluts.
    Mit seinen scharfen Sinnen nahm er Details wahr, legte sie automatisch in den Archiven seines Gedächtnisses ab, als befände er sich auf einer Mission. Mädchen Nummer eins trug zwei unterschiedliche Ohrringe, hatte einen schlampigen dunklen Haaransatz und den rosa Nagellack zu hastig aufgetragen und nicht gründlich genug trocknen lassen. Zwei der Mädchen waren kokainsüchtig, eine hatte vor kurzem ein Kind bekommen, und die Brünette, die ihn unter klimpernden Wimpern hervor kokett anlächelte, schlief mit einem, mit dem sie besser nicht schlafen sollte, wie der Liebesbiss an ihrem Hals verriet, den sie laienhaft mit Make-up abzudecken versucht hatte. Adams Blick hing einen Moment lang hungrig an ihrem Hals. Er konnte ihre pochende Halsschlagader sehen, die wie Sirenengesang auf ihn wirkte. Seine Pupillen begannen sich zu weiten, Schwarz drohte das Dunkelblau seiner Augen zu verschlingen. Er blinzelte mehrmals, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.
    »Wow, hallöchen, du Schöner«, schnurrte die kokette Brünette, die neben der kleinen blonden Braut stand. Sie trug einen rosa Haarreif mit zwei wippenden Antennen.
    An deren Spitzen klebten zwei Dreiecke, auf denen »Made of Honour« stand. Niedlich, dachte Adam amüsiert. Wie sehr sich die Zeiten geändert hatten! Niemand hätte sich vorstellen können, dass Frauen irgendwann einmal an Freitagabenden in knappen Miniröcken, Stilettos und pelzigen Antennen herumlaufen würden - ohne sich im geringsten um ihren guten Ruf, ja, um Leib und Leben zu sorgen. Jedenfalls ganz bestimmt nicht 1879, als er geboren worden war.
    Adam ging weiter, ohne auf ihr Gekicher und ihre anzüglichen Sprüche einzugehen, schenkte der kleinen Braut zum Abschied aber noch ein Lächeln. Zwei Dinge hatte er in seinem langen Leben gelernt: dass der Tod am Ende unvermeidlich ist. Und zweitens: dass jede Frau begehrt werden will. Und Adam war ein Mann, der Frauen liebte.
    Was kein Wunder war, denn er war in einem Haus voller Frauen aufgewachsen: seine Schwester Helena, seine Mutter Margaret und ihre engsten Freundinnen Prinzessin Belanow, Lady Violet und Storm. Allesamt starke, gütige - und komplexe Frauen. Die Art Frauen, die ihm gefielen.
    So eine hoffte er eines Tages selbst zu finden; aber jetzt noch nicht. Vorläufig war er es zufrieden, sich mit zwei von diesen drei Eigenschaften zu begnügen: komplex und sexy. Und wenn er seine Stadt auch nur ein bisschen kannte, würde ihm bald eine solche Frau über den Weg laufen.
    Aber zuerst galt es, eine alte Freundschaft wieder aufzufrischen.
    Er grinste bei dem Gedanken an ein Wiedersehen mit Professor Cem Bilen. Seit fast neun Monaten hatte er den Osmanen, seinen besten Freund, nicht mehr gesehen, was im Zeitalter von Billigflügen und Globalisierung einfach zu lange war. Aber Adam hatte schlichtweg nicht die Zeit gefunden. Irgendwie hatte eine Krise die andere gejagt, und als Friedenshüter des House of Order war es natürlich an ihm gewesen, die Brandherde zu löschen.
    Er verlangsamte seine Schritte, als er sein erstes Etappenziel, das Mercat C ross oder Marktkreuz erblickte, das auf dem »Kreuzhaus« thronte. Von alters her ein Treffpunkt der Bürger bei Kundgebungen oder Märkten, war es nun der Sammelpunkt für die berühmten »Ghost-Tours« von Edinburgh. Es war am einfachsten, sich einer dieser »Geisterführungen« anzuschließen, wie Adam wusste, um in den Teil der unterirdischen Katakomben zu gelangen, die sein eigentliches Ziel waren.
    Ein Mann mit Trommel schritt auf und ab und erzählte, zwischen getragenen Trommelschlägen, die Mär vom Tunnel, der sich unter
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