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Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen

Titel: Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Autoren: Mina Hepsen
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der Royal Mile von der Burg bis zum Holyrood Palace erstreckte - und von dem Trommler, der eines Tages darin verloren gegangen war. Eine französische Schulklasse hörte kichernd zu, die Mädchen mit halb ängstlichen Gesichtern, die Jungen mit spöttischen, um ihr Unbehagen zu überspielen. Adam warf einen Blick auf seine Uhr: 19:42 Uhr. Um viertel vor acht würde die nächste Führung beginnen. Sein Blick fiel auf ein Grüppchen Touristen, das gespannt mit den Füßen scharrte, und auf deren Führer, eine ungeduldige Gestalt in einem langen schwarzen Cape. Adam trat in den Schatten des Wandelgangs der Kathedrale, die den Platz umschloss, und wartete geduldig ab.
    Der Greyfriar's Friedhof lag in grauer Düsternis, aber das machte Lea nichts aus. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit und auch nicht vor den Spukgeschichten, die über diesen Ort kursierten. Die Touristen strömten in Scharen hierher, um die eisige Hand von Mackenzie dem Poltergeist zu spüren, oder um sich das Grab anzusehen, an dem ein kleiner Hund namens Bobby noch lange treu über sein totes Herrchen gewacht hatte.
    Auch auf diesem Friedhof spukten Geister, wie auf den meisten alten Friedhöfen in und um Edinburgh. Aber weder Bobby, der Hund, noch Mackenzie waren im Moment da, wie Lea genau wusste. Stattdessen geisterte hier eine ältere Dame namens Mrs. McDonald herum und ein mürrischer alter Mann, den die anderen Gespenster nur Old Grumpy nannten, weil er nie ein Wort sagte. Und natürlich der junge Liam O'Conner, dessentwegen sie hergekommen war.
    Lea bog bei der Kirche nach rechts ab und schritt die abschüssigen Pfade entlang, die einst von Mönchen in grauen Kutten bevölkert worden waren.
    »Lea, meine Liebe, wie geht es dir heute?«, erkundigte sich eine körperlose Stimme. Sie kam von einer steinernen Parkbank, die unter einem hohen Baum zu Leas Linker stand. Margaret McDonalds Lieblingsplatz.
    »Sehr gut, danke, Mrs. McDonald. Und Ihnen?«
    Margaret war ein sehr altes und erfahrenes Gespenst.
    Sie hatte keine Mühe, sich bei den Lebenden bemerkbar zu machen. Lea spürte eine eisige Kälte an ihrer linken Schulter und wusste daher, dass Mrs. McDonald neben ihr herging. Sie setzte ein Lächeln auf und wartete darauf, dass der Klagenkatalog aufgeschlagen wurde.
    »An sich nicht schlecht, aber diese Lebenden!«, klagte die alte Dame prompt. »Diese Lebenden! Absolut kein Respekt vor den Toten!«
    »Hmm«, murmelte Lea unbestimmt. Es hätte keinen Zweck gehabt, Mrs. McDonald darauf hinzuweisen, dass sie selbst ebenfalls zu den Lebenden gehörte. Der einzige Weg, mit der alten Schottin zu verfahren, war, möglichst nichts zu sagen, bis der Fluss ihrer Klagen von selbst versiegte.
    »Heute hat doch tatsächlich eine junge Frau, die in Begleitung ihres jungen Mannes hier war, auf meine Bank gezeigt und gesagt, sie hätte gehört, Mary Shelley habe oft hier gesessen und ihren Frankenstein geschrieben.«
    »Ach ja?«
    Sie kamen an einem Massengrab aus dem siebzehnten Jahrhundert vorbei. Lea war heilfroh, dass die Seelen dieser Verstorbenen nicht hier zurückgeblieben waren. Wie hätte sie einem Geist helfen können, der zu Tode gefoltert worden war? Nein, Lea war heilfroh, dass sie mit so etwas bis jetzt noch nichts zu tun gehabt hatte ...
    »Was für ein Unsinn!«, schimpfte Mrs. McDonald. »Mary hat nie auf meiner Bank gesessen! Sie ist oft hergekommen, das stimmt, aber gewöhnlich saß sie dort drüben.«
    Lea konnte nur vermuten, in welche Richtung Mrs.McDonald zeigte, da sie die Geister lediglich hören, aber nicht sehen konnte. Wofür sie ungeheuer dankbar war. Es war schon schwer genug, die Stimmen der Toten von denen der Lebenden zu unterscheiden. Wie viel schwieriger wäre es gewesen, wenn sie ihr auch noch erschienen wären ... schon der Gedanke ließ sie schaudern.
    »Du könntest nicht vielleicht dafür sorgen, dass ein Hinweisschild aufgestellt wird, meine Liebe?«, erkundigte sich Mrs. McDonald. »Ich meine, damit es keine Verwechslungen mehr gibt?«
    Lea wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Wie sollte sie sich da wieder herauswinden? Sie beschloss, die Karte der »unsensiblen Lebenden« auszuspielen. »Hm, Sie wissen ja, wie das ist, Mrs. McDonald«, sagte sie bedauernd, »die Lebenden begreifen manchmal einfach nicht, wie wichtig solche Dinge sind. Aber ich werde selbstverständlich einen entsprechenden Brief an die Stadtverwaltung schreiben und darum bitten, dass man ein Schild aufstellt.«
    »Du hast ja so recht, meine
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