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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar
Autoren: Paul Auster
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möglich, dass der Krieg bis dahin beendet ist.
    Wetten Sie lieber nicht darauf, Mr. Walker. Dieses kleine Scharmützel wird sich noch jahrelang hinziehen.
    Ich steckte mir eine Chesterfield an und nickte. Da bin ich ausnahmsweise mal Ihrer Meinung, sagte ich.
    Wie auch immer, Margot hat nicht von Vietnam gesprochen. Ja, Sie könnten im Gefängnis landen - oder in zwei, drei Jahren im Sarg nach Hause kommen -, aber sie hat nicht an den Krieg gedacht. Sie meint, Sie seien zu gut für diese Welt, und daher werde die Welt Sie eines Tages erdrücken.
    Ich kann ihr nicht ganz folgen.
    Sie meint, dass Sie Hilfe brauchen. Margot mag nicht das hellste Köpfchen der westlichen Welt besitzen, aber da lernt sie einen Jungen kennen, der sich als Dichter bezeichnet, und das erste Wort, das ihr dazu einfällt, ist Hunger.
    Das ist doch absurd. Sie hat keine Ahnung, wovon sie redet.
    Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen widerspreche, aber als ich Sie auf der Party nach Ihren Plänen fragte, sagten Sie, Sie hätten keine. Abgesehen natürlich von Ihrem nebulösen Bestreben, Gedichte zu schreiben. Was verdienen Dichter denn so, Mr. Walker?
    Meistens gar nichts. Wenn man Glück hat, bekommt man ab und zu ein bisschen Kleingeld hingeworfen.
    Hört sich für mich nach Hungerleiden an.
    Ich habe nie gesagt, ich hätte vor, meinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen. Ich werde mir einen Job suchen müssen.
    Zum Beispiel?
    Schwer zu sagen. Ich könnte für einen Verlag arbeiten oder für eine Zeitschrift. Ich könnte Bücher übersetzen. Ich könnte Artikel und Rezensionen schreiben. Eins davon, oder mehreres gleichzeitig. Es ist zu früh, und solange ich noch nicht in die Welt hinausgetreten bin, hat es keinen Sinn, mir deswegen schlaflose Nächte zu machen, oder?
    Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Sie sind schon längst in die Welt hinausgetreten, und je früher Sie lernen, für sich selbst zu sorgen, desto besser für Sie.
    Woher plötzlich diese Anteilnahme? Wir kennen uns noch kaum. Warum also interessiert Sie, was aus mir wird?
    Weil Margot mich gebeten hat, Ihnen zu helfen, und weil sie mich selten um etwas bittet, fühle ich mich moralisch verpflichtet, ihren Wünschen nachzukommen.
    Danken Sie ihr in meinem Namen, aber Sie brauchen sich meinetwegen keine Umstände zu machen. Ich komme auch gut allein zurecht.
    Ziemlich halsstarrig, wie?, sagte Born, legte seine fast aufgerauchte Zigarre auf den Rand des Aschenbechers und beugte sich vor, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. Angenommen, ich biete Ihnen einen Job an - wollen Sie mir sagen, den würden Sie ablehnen?
    Kommt drauf an, was für ein Job das wäre.
    Das bleibt abzuwarten. Ich habe verschiedene Ideen, bin aber noch zu keinem Entschluss gekommen. Vielleicht können Sie mir helfen.
    Ich glaube, ich kann Ihnen nicht folgen.
    Vor zehn Monaten ist mein Vater gestorben, und wie es aussieht, habe ich eine beträchtliche Menge Geld geerbt. Nicht genug, um ein Chateau oder eine Fluggesellschaft zu kaufen, aber genug, die Welt ein wenig anders aussehen zu lassen. Ich könnte Sie engagieren, meine Biographie zu schreiben, selbstverständlich, aber dafür ist es mir noch etwas zu früh. Ich bin erst sechsunddreißig und halte es für ungebührlich, über das Leben eines Mannes zu reden, bevor er nicht mindestens fünfzig ist. Also was dann? Ich habe daran gedacht, einen Verlag zu gründen, bin mir aber nicht sicher, ob ich mich bei den langfristigen Planungen, die dergleichen erfordert, sonderlich wohl fühlen würde. Eine Zeitschrift hingegen könnte mich schon eher reizen. Sie könnte monatlich, vielleicht auch vierteljährlich erscheinen, ich stelle mir etwas Frisches und Wagemutiges vor, eine Publikation, die die Leute aufrüttelt und mit jeder Ausgabe für Kontroversen sorgt. Was halten Sie davon, Mr. Walker? Hätten Sie Interesse, an einer solchen Zeitschrift mitzuarbeiten?
    Auf jeden Fall. Die Frage ist nur: Warum ich? Sie gehen in wenigen Monaten nach Frankreich zurück, also vermute ich, dass Sie von einer französischen Zeitschrift sprechen. Mein Französisch ist nicht schlecht, aber auch nicht gut genug für das, was Sie brauchen. Und davon abgesehen, studiere ich hier in New York. Ich kann das nicht einfach abbrechen und woanders hinziehen.
    Wer hat was von Umziehen gesagt? Wer hat was von einer französischen Zeitschrift gesagt? Wenn ich eine gute amerikanische Mannschaft hätte, die den Laden hier schmeißt, könnte ich ab und zu mal
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