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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar
Autoren: Paul Auster
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Vorschau allenfalls noch als eine banale Formalität. Ganz gleich, wie mein Plan am Ende aussah, war Born offenbar bereit, ihn gutzuheißen. Und doch, so sehr ich mich darauf freute, die Verantwortung für eine gut finanzierte Zeitschrift zu übernehmen, die mir überdies ein mehr als reichliches Einkommen bescheren würde, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Born damit eigentlich bezweckte. War wirklich Margot die treibende Kraft hinter diesem unverhofften Ausbruch von Altruismus, die Ursache für dieses blinde Vertrauen zu einem jungen Mann, der keinerlei Erfahrung als Herausgeber, Verleger oder Geschäftsmann besaß und ihm noch eine Woche zuvor vollkommen unbekannt gewesen war? Und selbst wenn das der Fall war - was konnte ihr an meiner Zukunft liegen? Auf der Party hatten wir kaum miteinander gesprochen, und obwohl sie mich sehr aufmerksam betrachtet und mir sogar die Wange getätschelt hatte, war sie für mich ein leeres Blatt geblieben, ein Nichts, eine Null. Ich vermochte mir nicht vorzustellen, womit sie Born dazu bewogen haben könnte, meinetwegen fünfundzwanzigtausend Dollar zu riskieren. Nach meinem Eindruck lag ihm selbst nichts daran, eine Zeitschrift herauszugeben, und eben weil es ihm gleichgültig war, überließ er die ganze Sache mir. Als ich unser Gespräch im West End am Montag noch einmal Revue passieren ließ, schien es mir sogar so, als hätte ich ihn überhaupt erst auf die Idee gebracht. Ich hatte erwähnt, dass ich nach Abschluss meines Studiums vielleicht bei einem Verlag oder einer Zeitschrift arbeiten könnte, und eine Minute später kam er mit seiner Erbschaft an und behauptete, er trage sich mit dem Gedanken, mit seinem neuen Geld einen Verlag oder eine Zeitschrift aufzumachen. Was, wenn ich gesagt hätte, ich würde am liebsten Toaster herstellen? Hätte er geantwortet, er überlege, ob er in eine Toasterfabrik investieren solle?
    Für die Vorschau brauchte ich dann länger, als ich gedacht hatte - vier oder fünf Tage waren es wohl, aber nur, weil ich so gründlich zu Werke ging. Ich wollte Born mit meiner Sorgfalt beeindrucken und arbeitete daher nicht nur Programme für den Inhalt jeder einzelnen Nummer aus (Gedichte, Prosa, Essays, Interviews, Übersetzungen und dazu jeweils am Ende eine Abteilung für Besprechungen von Büchern, Filmen, Musik und bildender Kunst), sondern stellte auch einen detaillierten Finanzplan auf: Druckkosten, Papierkosten, Bindekosten, Fragen des Vertriebs, Auflagenhöhe, Honorare der Beiträger, Einzelhandelspreis, Abonnementspreis sowie Pro und Kontra Aufnahme von Anzeigen. Das alles erforderte Zeit und Recherchen, Anrufe bei Druckern und Bindern, Gespräche mit Herausgebern anderer Zeitschriften und von mir selbst eine neue Art zu denken, da ich mich bis dahin noch nie mit kommerziellen Dingen beschäftigt hatte. Was den Namen der Zeitschrift betraf, notierte ich eine Reihe verschiedener Titel und gedachte die Entscheidung Born zu überlassen, aber mir selbst gefiel am besten Stylus - zu Ehren Poes, der nicht lange vor seinem Tod eine Zeitschrift mit diesem Namen einzuführen versucht hatte.
    Diesmal reagierte Born binnen vierundzwanzig Stunden. Als ich den Hörer abnahm und seine Stimme erkannte, fasste ich das als ermutigendes Zeichen auf, aber typisch für ihn rückte er nicht sogleich damit heraus, was er von meinem Plan hielt. Das wäre zu einfach gewesen, nehme ich an, zu langweilig, zu unkompliziert für einen Mann wie ihn, und so spielte er, um die Spannung zu erhöhen, zunächst einmal ein paar Minuten mit mir und stellte eine Reihe irrelevanter und zusammenhangloser Fragen, die mich davon überzeugten, dass er mich hinhielt, weil er mich nicht verletzen wollte, wenn er meinen Vorschlag ablehnte.
    Ich hoffe, Sie sind bei guter Gesundheit, Mr. Walker, sagte er.
    Ich glaube schon, antwortete ich. Es sei denn, ich habe mir eine Krankheit zugezogen, von der ich nichts weiß. Aber noch keine Symptome. Nein, ich fühle mich gut.
    Was ist mit Ihrem Magen? Keine Beschwerden? Zurzeit nicht.
    Sie haben also normalen Appetit. Ja, vollkommen normal.
    Wenn ich mich recht erinnere, war Ihr Großvater ein koscherer Metzger. Halten Sie sich noch an diese alten Vorschriften, oder haben Sie das aufgegeben?
    Ich habe mich überhaupt noch nie daran gehalten.
    Also keine Einschränkungen, was Ihre Ernährung betrifft.
    Nein. Ich esse alles, was ich will.
    Fisch oder Geflügel? Rind oder Schwein? Lamm oder Kalb?
    Was soll damit sein?
    Was davon
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