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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar
Autoren: Paul Auster
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essen Sie am liebsten?
    Ich mag das alles gern.
    Mit anderen Worten, Sie sind nicht wählerisch.
    Nicht, wenn es ums Essen geht. Bei anderen Dingen schon, aber nicht beim Essen.
    Sie sind also offen für alles, was Margot und ich Ihnen vorsetzen.
    Ich weiß nicht, ob ich Sie verstehe.
    Morgen Abend um sieben Uhr. Haben Sie viel zu tun?
    Nein.
    Gut. Dann kommen Sie zum Abendessen zu uns. Wir sollten das feiern, meinen Sie nicht?
    Ich weiß nicht. Was sollten wir feiern?
    Den Stylus, mein Freund. Den Beginn von etwas, das sich hoffentlich zu einer langen und fruchtbaren Partnerschaft entwickelt.
    Sie wollen das also machen?
    Muss ich mich wiederholen?
    Sie wollen sagen, mein Plan gefällt Ihnen?
    Seien Sie nicht so begriffsstutzig, Junge. Warum sollte ich feiern wollen, wenn er mir nicht gefallen hätte?
    Ich weiß noch, wie ich hin und her geschwankt bin, was ich ihnen schenken sollte - Blumen oder eine Flasche Wein -, und mich am Ende für Blumen entschieden habe. Vernünftigen Wein, mit dem ich sie hätte beeindrucken können, konnte ich mir nicht leisten, und bei genauerem Nachdenken erschien es mir geradezu als Anmaßung, ausgerechnet Franzosen mit Wein beglücken zu wollen. Hätte ich die falsche Wahl getroffen - und dafür sprach einiges -, hätte ich nur meine Ahnungslosigkeit unter Beweis gestellt, und mir lag nichts daran, mich gleich zu Beginn des Abends in Verlegenheit zu bringen. Blumen hingegen gaben mir die Möglichkeit, meinen Dank direkt an Margot zu richten, da Blumen ja immer der Dame des Hauses überreicht werden, und falls Margot Blumen mochte (was keineswegs ausgemacht war), würde sie verstehen, dass ich ihr meinen Dank dafür bekunden wollte, dass sie Born bewegt hatte, sich für mich einzusetzen. Unser Telefongespräch am Nachmittag zuvor hatte mich in eine Art Schockstarre versetzt, und als ich zur verabredeten Zeit zu ihrer Wohnung ging, war ich immer noch überwältigt von dem unwahrscheinlichen Glück, das über mich hereingebrochen war. Ich erinnere mich, dass ich zu diesem Anlass Jackett und Krawatte anzog. Es war das erste Mal seit Monaten, dass ich mich feinmachte, und so schritt ich dann, Mr. Wichtig persönlich, mit einem riesigen Blumenstrauß in der Rechten über den Campus der Columbia, um mit meinem Verleger zu speisen und über Geschäfte zu reden.
    Er hatte die Wohnung von einem Professor gemietet, der für ein Jahr auf Forschungsurlaub war, mehrere geräumige, aber mit viel zu vielen Möbeln vollgestopfte Zimmer in einem Gebäude am Morningside Drive nicht weit von der 116th Street. Ich glaube, die Wohnung lag im zweiten Stock, und die großen Fenster an der Ostseite des Wohnzimmers boten Aussicht auf die weite abfallende Fläche des Morningside Parks und die Lichter von Spanish Hadem dahinter. Margot öffnete mir die Tür, als ich klopfte; ihr Gesicht und das Lächeln, das über ihre Lippen zuckte, als ich ihr den Strauß überreichte, sehe ich immer noch vor mir, aber was sie anhatte, weiß ich nicht mehr. Vielleicht wieder etwas Schwarzes, aber ich glaube, eher nicht, da ich mich undeutlich an ein Gefühl der Überraschung erinnere, was darauf hindeutet, dass sie mir anders gekleidet als bei unserer ersten Begegnung entgegentrat. Noch auf der Schwelle, bevor sie mich in die Wohnung bat, erklärte Margot mir mit leiser Stimme, Rudolf habe schlechte Laune. Bei ihm zu Hause sei etwas passiert, er werde morgen nach Paris fliegen und frühestens nächste Woche wieder zurückkommen. Er sei gerade im Schlafzimmer, fügte sie hinzu, und telefoniere mit Air France, um den Flug zu buchen, und das könnte noch ein paar Minuten dauern.
    Als ich die Wohnung betrat, fiel mir sofort der Essensgeruch aus der Küche auf - ein wunderbarer, köstlicher Duft, so verführerisch und aromatisch, wie nur je etwas mir in die Nase gedrungen war. Die Küche war dann auch unser erstes Ziel - um eine Vase für die Blumen aufzustöbern -, und als ich einen Blick auf den Herd warf, sah ich den großen zugedeckten Topf, der die Quelle dieses außerordentlichen Wohlgeruchs war.
    Ich habe keine Ahnung, was da drin ist, sagte ich und wies auf den Topf, aber wenn meine Nase mich nicht täuscht, werden heute Abend drei Menschen sehr glücklich sein.
    Rudolf meinte, Sie mögen Lamm, sagte sie, also habe ich mich für navarin entschieden - ein Ragout aus Lamm, Kartoffeln und navets. Rüben.
    Ich kann mir dieses Wort einfach nicht merken. Es klingt so hässlich, es tut mir richtig weh, das auszusprechen.
    Also
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