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Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht

Titel: Unsichtbar und trotzdem da - 01 - Diebe in der Nacht
Autoren: Boris Pfeiffer
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dem Originalgemälde bis ins letzte Detail, ungeheuer gut!“
    Die drei Gestalten sahen sich an. Dann lachte die eine rau.

    „Ja, Frau Direktorin, auf Genauigkeit verstehen wir uns. Man braucht nur Geduld und eine ruhige Hand.“
    „Wie wahr!“, flötete die Direktorin.
    „Wissen Sie“, verkündete die zweite Gestalt mit dröhnender Stimme, „wir sind Liebhaber der Kunst. Ich würde sagen, dass jeder von uns jedes Ihrer herrlichen Gemälde so genau kennt, als hätte er es selbst gemalt!“
    „Wie poetisch!“ Die Direktorin war sichtlich erfreut. „Sie sind also wahre Kunstliebhaber!“
    „Oh, ja“, sagte die dritte Gestalt und trank ihr Glas leer. „Es war ein wundervolles Fest. Aber nun müssen wir weiter.“
    „Wie schade“, bedauerte die Direktorin. „Denn gleich ist die Preisverleihung für das beste Kostüm.“
    Die Unsichtbaraffen warfen sich einen erschrockenen Blick zu.
    „Was machen wir jetzt?“, raunte Jenny.
    „Warum sagen wir nicht einfach, dass die drei die echten Gemälde in ihren Säcken haben“, schlug Addi vor.
    Ağan schüttelte den Kopf. „Erstens“, sagte er, „hängen alle Bilder an den Wänden und jeder hält sie für die echten. Zweitens sind wir Kinder, und ich glaube nicht, dass die Direktorin oder einer der Wächter uns Glauben schenken würde. Und drittens sehen die Männer ziemlich stark aus und den Bildern könnte etwas geschehen. Ich habe eine bessere Idee. Ich möchte, dass ihr meine Schwester Yildiz anruft. Sie ist die beste Polizistin der Stadt. Sie kann Judo und sämtliche andere Kampfsportarten. Sie soll herkommen und die Männer draußen festnehmen.“
    „Wenn wir sie anrufen, hört sie doch auch, dass wir Kinder sind“, wandte Jenny ein.
    Ağan nickte. Aber dann bat er: „Sag ihr: Achte nicht auf den, der spricht, achte auf das, was gesprochen wird! Das Sprichwort benutzt mein Vater immer. Sie wird sich daran erinnern. Nur sag bloß nicht, dass ich hier bin, ich will keinen Ärger bekommen.“
    Ağan gab Jenny und Addi die Handynummer seiner Schwester. Dann lief er die Treppen nach unten zur Direktorin.
    „Frau Museumsdirektorin“, sprach er sie an und verbeugte sich kurz. „Mein Onkel, der Vorsitzende des deutsch-türkischen Großhandelsverbandes, hat mich gebeten, Sie zu fragen, ob das Bild Die Bettler von Montpellier bereits zur Preisverleihung vorgeschlagen worden ist? Wenn nicht, bittet er Sie, es mit zur Wahl zu stellen, da er es außerordentlich gelungen findet.“
    Die Direktorin lächelte überrascht. „Was für ein Zufall. Soeben habe ich mit den Darstellern gesprochen. Sie wollten gerade aufbrechen, aber bitte sag deinem Herrn Onkel, dass ich mich persönlich darum bemühen werde! Und grüß den Herrn Vorsitzenden schön!“
    Ağan nickte und verbeugte sich wieder.
    Die Direktorin drehte sich um und lief zu den drei Bettlergestalten zurück. „Meine Herren! Sie sind für den ersten Preis vorgeschlagen worden! Bitte kommen Sie, es dauert nur fünf Minuten.“
    Die Lumpenmänner zögerten. Doch die Direktorin ließ sich nicht abwimmeln. „Es ist ein ausdrücklicher Wunsch des Vorsitzenden der deutsch-türkischen Großhandelskammer“, sagte sie. „Das können Sie mir nicht abschlagen. Es ist eine große Ehre und wichtig für die Beziehungen, das werden Sie als Kunstkenner sicher verstehen!“
    Sie klatschte begeistert in die Hände und einige der Gäste fielen sogleich in den Applaus ein.
    Die Männer wechselten skeptische Blicke. Aber dann fügten sie sich in den Wunsch der Direktorin, packten ihre Säcke und folgten ihr. Dabei warfen sie Ağan einen merkwürdigen Blick aus ihren finster geschminkten Gesichtern zu. Doch der lächelte nur und verneigte sich leicht. Dann lief er zurück zu seinen Freunden.
    Jenny erwartete ihn bereits mit leuchtenden Augen. „Bravo, Ağan!“, flüsterte sie. „Das war super! Und deine Schwester ist auch super. Ich habe ihr die Sache mit den Dieben erklärt, und als ich dein Sprichwort gesagt habe, hat sie versprochen zu kommen und sich die Sache mal anzusehen.“
    Ağan nickte zufrieden. „Das habe ich von meiner Mutter. Sie ist Perserin und immer, wenn sie meinen türkischen Vater zu etwas bringen will, das er nicht will, redet sie türkisch mit ihm. Nur wer die Menschen in ihren Herzen berührt, findet den Schlüssel zu ihren Seelen.“
    „Super, aber lasst uns jetzt hier verschwinden“, mischte sich Addi ein. „Wenn die Gauner aus dem Gebäude kommen, sollten wir nicht in ihrer Reichweite sein.
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