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Unsere Oma

Unsere Oma

Titel: Unsere Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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um sich haben und beobachten. Und der Löwe stirbt langsam aus. Die Farmer in Afrika und die Eingeborenen bekämpfen den großen Räuber, der in ihre Viehherden einfällt und Schafe und Rinder, manchmal sogar Menschen tötet, und jagen ihn mit dem Gewehr. Früher, als die Eingeborenen nur Pfeil und Bogen hatten, kamen viele Löwen davon, aber jetzt müssen immer mehr dran glauben. In unseren Tierparks und Zoos bleiben die Tiere erhalten, und manche leben, wie Jan sagte, sogar gern in der Gefangenschaft, besonders die, die dort geboren sind. Allerdings sollte man sie nicht zu sehr einengen.«
    »Wie war es denn, als du in dem Käfig gesessen hast?« fragte Jan.
    Der Onkel klopfte seine Pfeife aus und erzählte: »Einmal machte ich eine Reise durch Amerika. In New York hörte ich von einer Insel im Karibischen Meer, auf der nur Affen leben sollten, und zwar so zahlreich wie nirgendwo sonst. Ich fuhr mit einem Schiff dorthin und war der einzige Passagier, der die Insel betrat. Erst am Abend sollte das Schiff wieder anlegen und mich mit zurücknehmen.
    Ein Beamter empfing mich freundlich am Kai. Auf meine Frage nach einem Auto oder Pferdefuhrwerk erwiderte er: >Wir haben etwas viel Besseres, nämlich einen Zug, der um die ganze Insel herum und mitten durch das Urwaldgebiet fährt.<
    >Für mich allein werden Sie diesen Zug wohl nicht in Betrieb setzen<, meinte ich. > O doch<, entgegnete der Beamte, >das machen wir gerne.<
    Er führte mich zu einer kleinen, altmodischen Lokomotive, an der ein seltsamer Wagen hing, nämlich ein Käfig mit einer Bank darin, und bat mich einzusteigen. >Für mich?< fragte ich erstaunt.
    Der Beamte nickte. >Es ist sicherer so. Die Tiere sind wild und könnten Ihnen etwas antun.<
    Ich stieg ein, der Beamte schloß den Käfig hinter mir ab, und wir fuhren los. Überall auf den Bäumen und Wegen sah ich Affen, große und kleine, die verschiedensten Arten. An einer besonders bevölkerten Stelle hielt der Zug an. Sogleich kamen die Affen herbei, um mich zu betrachten. Sie kamen in Scharen und drängten sich vor den Gitterstäben. Sie stießen sich gegenseitig an und schienen über mich zu sprechen. Sie zeigten mit den Fingern auf mein Gesicht, meinen Hut und meine Stiefel. Die Affenmütter hoben ihre Kinder hoch, damit sie mich besser sehen konnten. Alle fanden mich sehr interessant, und manche mußten über mich lachen. Ich hätte mich am liebsten irgendwo verkrochen, aber die Tiere standen rund um den Käfig herum. Ein alter, sehr dicker Affe schien Mitleid mit mir zu haben. Er reichte mir eine Banane durch das Gitter. Als der Zug weiterfuhr, atmete ich auf. Aber bald hielt er wieder, und das gleiche Theater wiederholte sich. So ging es Stunden und Stunden. Der Beamte saß vorn in der Lokomotive. Ich konnte ihn nicht erreichen, um ihm zu sagen, daß er möglichst schnell weiterfahren solle. Immer wieder machte er die schrecklichen Pausen. Ich war ganz erschöpft und verzweifelt von all dem Angestarrtwerden.

    Wenn ich gähnte, begannen die Affen vor dem Käfig ebenfalls zu gähnen. Ich schloß die Augen und versuchte zu schlafen, aber das Geschrei der Affen ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Endlich kamen wir wieder am Hafen an, und der Beamte schloß den Käfig auf. Ich wankte heraus.
    >Haben Sie viel gesehen?< fragte er und sah mit seinem grinsenden Gesicht fast selbst wie ein Affe aus. Ich nickte nur. >Den Affen macht das immer großen Spaß<, sagte er heiter.
    Damals hab’ ich mir geschworen, daß ich versuchen will, für möglichst alle Tiere meines Zoos Freigehege zu bauen.«
    »Warum ist der Löwe dann immer noch in seinem engen Käfig?« fragte Brigitte.
    »Freigehege kosten viel Geld«, antwortete der Onkel. »Aber dein Löwe wird bald eins besitzen. Hast du die Bauarbeiten vor den Raubtierkäfigen gesehen? Ein Kaufhaus hat dem Zoo eine größere Geldsumme gespendet, davon lasse ich ein Freigehege für die Löwen bauen. Am Sonntag wird es eingeweiht.«
    Als die Löwen in ihr neues Gehege gelassen wurden, stand Brigitte ganz vorn am Gatter. Zuerst kamen ein paar Löwinnen heraus, und danach erschien der Löwe. Ruhig und stolz trat er aus dem Haus auf das freie Gelände. Mit seinem weichen, wiegenden Schritt lief er einmal herum, stieg auf einige Felsen, sprang wieder herab und kletterte schließlich auf die höchste Spitze eines Felsens. Dort stand er und reckte sich, hob stolz den Kopf, schüttelte die Mähne und blickte über den Zoo hinweg. »Er ist ein König!« dachte Brigitte, und
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